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Der Thüringer Landtag hat sich konstituiert, der neue Sächsische Landtag tritt am 1. Oktober das erste Mal zusammen. Die in beiden Ländern als rechtsextrem eingestufte AfD hat stark abgeschnitten: 32 Abgeordnete ziehen in den Erfurter Landtag ein, 40 in den Dresdener. Wer sind sie? Am bekanntesten dürften die jeweiligen Landesvorsitzenden Björn Höcke und Jörg Urban sein. Beide sind mehrfach mit ihrer Nähe zu Rechtsextremen aufgefallen. Höcke stand in diesem Jahr wegen Volksverhetzung vor Gericht. Wie Urban trat er bei PEGIDA auf. Beide waren Gast im ehemaligen Institut für Staatspolitik des rechtsextremen Strategen Götz Kubitschek und sprechen vom „Bevölkerungsaustausch“. Doch auch weniger bekannte Mandatsträger stehen ihren Landesvorsitzenden bisweilen kaum nach.

Die Kontroverse um Wiebke Muhsal

Die 38 Jahre alte Juristin Wiebke Muhsal bezwang den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt und zog im Wahlkreis Saale-Holzland-Kreis II als Direktkandidatin in den Landtag ein. Dort war sie von 2014 bis 2019 schon einmal vertreten. Ihre Landtagskarriere hatte Muhsal mit einem Betrug begonnen: Sie hatte nach Auffassung des Amtsgerichts Erfurt den Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin vordatiert und so zu Unrecht Geld vom Landtag eingestrichen, das sie unter anderem in Computertechnik und Büromöbel investierte. Muhsal wurde dafür rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt. 2016 sorgte sie für einen weiteren Eklat: Sie erschien in einem Niqab im Parlament, um „gegen die Entwürdigung der Frau durch die Vollverschleierung“ zu protestieren, wie sie erklärte. Muhsal ist Mutter von fünf Kindern und befasst sich vor allem mit Familien- und Bildungspolitik. Sie postet viel auf Tiktok und Instagram und richtet ihre politischen Botschaften so auch an ein jüngeres Publikum.

Der Geschichtsrevisionist Jörg Prophet

Der 62 Jahre alte Jörg Prophet gilt als gut vernetzt in Nordhausen und gibt sich bürgerlich-konservativ. In Beiträgen auf der Internetseite der örtlichen AfD äußerte der Unternehmer sich jedoch mehrfach geschichtsrevisionistisch und bediente rechtsextreme Narrative. So stellte er etwa die amerikanischen Truppen, die 1945 das nahe Nordhausen gelegene Konzentrationslager Mittelbau-Dora befreiten, auf eine Stufe mit den Nationalsozialisten, setzte die von Nazideutschland verübten Verbrechen in Auschwitz mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki gleich oder sprach sich gegen „Systemlinge“ aus. Auch der Thüringer Verfassungsschutz nimmt in seinem Bericht von 2021 Bezug auf einen Blogeintrag Prophets. Der AfD-Politiker wird zwar nicht namentlich genannt, aber der Verfassungsschutz wirft dem Verfasser des Beitrags vor, „ein geschlossenes geschichtsrevisionistisches Weltbild“ zu bedienen und „gezielte Täter-Opfer-Umkehr“ zu betreiben. Prophet zog als Direktkandidat für den Wahlkreis Nordhausen I in den Landtag ein.

Die umstrittenen Abgeordneten Torsten Czuppon, Dieter Laudenbach und Wolfgang Lauerwald

Torsten Czuppon, 58, sitzt bereits seit 2019 für die AfD im Thüringer Landtag, das Direktmandat in seinem Wahlkreis Sömmerda II konnte er in diesem Jahr verteidigen. Ebenfalls in diesem Jahr wurde ein 2022 ergangenes Gerichtsurteil gegen den Polizisten rechtskräftig. Er muss eine Geldstrafe von 30.000 Euro zahlen. Das Vergehen: Verfolgung Unschuldiger. 2017 soll Czuppon bei einer Veranstaltung in der Gedenkstätte Buchenwald ein T-Shirt der Marke „Thor Steinar“ getragen haben. Diese Marke wird der rechtsextremen Szene zugerechnet. Die Gedenkstätte sah darin einen Verstoß gegen ihre Hausordnung und erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruchs; die Polizei leitete ein Disziplinarverfahren ein. Czuppon bestritt, ein solches T-Shirt getragen zu haben, und zeigte seinerseits zwei Zeugen wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung an. Die Verfahren bearbeitete er nach Auffassung des Gerichts als Polizist anschließend selbst.

Dieter Laudenbach sitzt seit 2019 für die AfD im Thüringer Landtag. 2020 wurde bekannt, dass Laudenbach in seinem Wahlkreisbüro ein ehemaliges NPD-Mitglied beschäftigt – und von dessen Vergangenheit in der rechtsextremen Partei wusste. Laudenbachs Mitarbeiter hatte für die NPD im Geraer Stadtrat gesessen und soll laut „Spiegel“ in der Thüringer Kameradschaftsszene vernetzt und „verbandelt“ sein mit dem „Thüringer Heimatschutz“. Dieser gilt als eine der wichtigsten Neonazigruppierungen Ostdeutschlands, auch die NSU-Terroristen und einige ihrer Unterstützer waren dort Mitglieder. Ebenfalls 2020 wurden Vorwürfe laut, Laudenbach habe zu DDR-Zeiten mit der Stasi zusammengearbeitet. Eine Landtagskommission sah dies im vergangenen Jahr als erwiesen an; der AfD-Politiker bestreitet die Vorwürfe. Laudenbach verteidigte das Direktmandat im Wahlkreis Gera I.

Aus Gera kommt auch Wolfgang Lauerwald. Der 69 Jahre alte pensionierte Arzt trat immer wieder auf Demonstrationen aus dem Umfeld des Rechtsextremisten Christian Klar und des rechtsextremen Vereins „Aufbruch Gera“ in Erscheinung. Auch in der Reichsbürger-Szene soll er laut Medienberichten vernetzt sein. 2022 sammelte er im Rahmen einer Weihnachtsaktion gemeinsam mit dem rechten Bündnis „Miteinanderstadt Gera“, in dem auch der Neonazi Klar aktiv ist, Spenden für den kommunalen Betreiber von Kinder- und Pflegeheimen. Als dieser das Geld ablehnte, drohte Lauerwald einem Bericht der ARD-Sendung „Kontraste“ zufolge dem Betreiber. „Das kann sich ja in kurzer Zeit alles ändern – die politischen Verhältnisse. Und wenn er aufs falsche Pferd setzt, kann ihm das natürlich irgendwann auch auf die Füße fallen“, sagte er bei einer Demonstration. Lauerwald sitzt seit 2019 für die AfD im Landtag, in diesem Jahr zog er wieder per Direktmandat im Wahlkreis Gera II in das Parlament ein.

Der sächsische AfD-Abgeordnete Lars Kuppi wurde 2019 in den Dresdener Landtag gewählt, im Wahlkreis Mittelsachsen IV. Er ist Polizist – bevor der heute 53 Jahre alte Mann in die Politik wechselte, hatte es aber mehrere Vorfälle gegeben. Im Juni 2018 verurteilte das Amtsgericht Döbeln Kuppi wegen Beleidigung eines Kollegen im Polizeirevier Döbeln zu einer Geldstrafe. Hintergrund war ein Vorfall im Jahr 2017: Kuppi hatte im Treppenhaus des Reviers vor Zeugen gerufen: „Das wird das Schwein nicht überleben.“ Gemeint war damit ein Kollege, der eine Beziehung mit seiner früheren Lebensgefährtin begonnen hatte. Während der Verhandlung sagte ein Zeuge aus, dass Kuppi den Mann zuvor auf der Straße niedergeschlagen habe. Kuppis Dienstwaffe war darauf eingezogen worden, er wurde versetzt. ­Kuppi war auch in der Deutschen Polizeigewerkschaft engagiert. Diese schloss ihn jedoch wegen eines öffentlichen Auftritts mit einem bundesweit bekannten Neonazi aus.