Die AfD bleibt stark bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Analyse und Ausblick
Eine gängige These besagt, die AfD werde sich in Regierungsverantwortung selbst entzaubern. Schon als die Rechtspopulisten in die ersten Landesparlamente einzogen, empfahl ein Wahlkampfstratege der CDU, sie an der Macht zu beteiligen. Da die AfD das Regieren „scheue wie der Teufel das Weihwasser“, werde sie schnell „ihre politische Unschuld“ verlieren. Ein Abgeordneter der Union kündigte beim Einzug der AfD in den Bundestag an: „Wir werden sie nicht jagen – wir werden sie entzaubern.“ Heute, da die AfD in Thüringen einerseits „gesichert rechtsextrem“, andererseits Volkspartei ist, will der dortige CDU-Spitzenkandidat sie immer noch „ans Licht ziehen“ und „gezielt entlarven“. Zwar will er nicht mit ihr koalieren, aber Gesetze mit ihren Stimmen verabschieden wie bereits im Landtag praktiziert. Auch der CDU-Generalsekretär findet, die Strategie der Ausgrenzung sei gescheitert. „Jahrelang hat man von Brandmauern gesprochen“, doch das habe „nicht funktioniert“. Wer die AfD kleinkriegen wolle, so spann die NZZ den Gedanken weiter, „muss sie mitregieren lassen. Je früher, desto besser.“
Die Befürworter der These glauben, in der Regierung würde die AfD ihre Unfähigkeit beweisen. Ihre Versprechen würden sich als leer erweisen und der Zauber mit einem Mal verfliegen. Die Wähler der AfD erwarten gar nicht, dass diese ihre Probleme löst. Allerdings zerschellt die These schon an den Stadtmauern von Sonneberg. Dort hat Deutschlands erster AfD-Landrat entgegen seiner Wahlversprechen weder den Euro abgeschafft noch die Grenze dichtgemacht. Selbst da, wo er hätte handeln können, hat er es nicht getan und als einer der letzten Landkreise in Thüringen die Bezahlkarte für Flüchtlinge eingeführt. Dennoch haben die meisten Sonneberger bei den Europa- und Kreistagswahlen im Juni wieder die AfD gewählt. So kam es auch in Raguhn-Jeßnitz, wo der erste AfD-Bürgermeister im Wahlkampf angekündigt hatte, die Kita-Gebühren zu senken. Obwohl sie stattdessen stiegen, landete die AfD wieder auf Platz eins. Dazu passt, dass die Kompetenzwerte der AfD in sämtlichen Umfragen weit unter denen ihrer Zustimmung liegen. Die Wähler der AfD erwarten nämlich gar nicht, dass diese ihre Probleme löst. Immer wieder legen Demokraten die eigenen Maßstäbe an ihre Feinde an. Überführen lassen sich aber nur jene, die willens sind, die Spielregeln einzuhalten. Wer seine Macht auf Lügen und Hass stützt, an dem prallen Skandale ab. Donald Trump sagte mal: „Ich könnte mich auf die Fifth Avenue stellen und jemanden erschießen und würde keinen Wähler verlieren.“ Anders als die Entzauberer ging er nie davon aus, dass er gewählt worden ist, um konstruktive Politik zu machen. Gerade das macht ja die Anziehungskraft von radikalen Populisten aus. Trotzdem glaubt Carsten Linnemann, es bringe nichts, die AfD auszugrenzen. Das klingt so, als seien die anderen verantwortlich. Dabei grenzt die AfD sich selbst aus, indem sie die Verfassung bekämpft. Sind Rechtspopulisten erst an der Macht, versuchen sie überall, die Institutionen auszuhöhlen. Wer sie trotzdem einbinden will, macht nicht sie, sondern sich selbst klein. Das beweist auch der Blick nach Österreich. Trotz unzähliger Skandale ist die FPÖ nicht verschwunden, sondern so stark wie nie. Herbert Kickl ist stolz darauf, die AfD an Radikalität zu übertreffen. Aktuell hat er die besten Aussichten, Kanzler zu werden. Nach zwei Jahrzehnten lässt sich sagen: Die FPÖ hat das Land verändert, nicht das Land die Partei. Und in Thüringen? Da wurde Björn Höcke in den vergangenen Monaten nicht ausgegrenzt, sondern auf allen Bühnen empfangen. Er sprach im Duell mit Mario Voigt, in der MDR-Wahlarena und im Sommerinterview. Dort klagte er, dass man in Deutschland nichts mehr sagen könne. Widersprüchlich? Egal. Auch Hindenburg glaubte, man könne Hitler in der Regierung zähmen Egal sind der Mehrzahl der AfD-Wähler auch die rechtsextremen Bestrebungen der Partei, wie Umfragen zeigen. Man braucht die AfD nicht als rassistisch zu entlarven, weil Höcke in aller Öffentlichkeit sagt, was er will: „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, die Abschiebung von Millionen von Menschen, eine „Politik der wohltemperierten Grausamkeit“. Möchte man ausprobieren, was passiert, wenn man so jemanden in die Regierung holt? Vor hundert Jahren ist dieses Experiment in Thüringen schon einmal gescheitert. Damals haben Bürgerliche zum ersten Mal Rechtsextreme an der Macht beteiligt. Später glaubte auch Hindenburg, man könne Hitler in der Regierung zähmen. Franz von Papen war sicher, dass er schon bald „quietschen“ werde. Berlin ist nicht Weimar, das würden sicher auch die Zauber-Strategen bestätigen. Der größte Unterschied: Anders als damals kennen wir den Ausgang des Experiments. Und wissen: Man muss kein Zauberer sein, um die Demokratie zu zerstören.