news-12112024-025531

Sind deutsche Unternehmen nicht einmal mehr in der Lage alles zu liefern, damit eine Bundestagswahl ordentlich über die Bühne gehen kann? Neue Zweifel über die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet Ruth Brand geschürt, Bundeswahlleiterin und Präsidentin des Statischen Bundesamtes. Ihre Warnung vor unabwägbaren Risiken im Falle von „zu früh“ angesetzten Neuwahlen, vor allem der Hinweis, dass möglicherweise in der Kürze der Zeit nicht genügend Papier zur Verfügung stehen könnte, ist auf heftige Kritik von Wirtschaftsverbänden getroffen. Vereinzelte Unternehmen allerdings teilen die Sorgen schon. So einfach scheint die Sache also nicht zu sein.

Der Bundesverband Druck und Medien, Sprachrohr der 6900 Druckereien, widersprach am Montag vehement: Die deutsche Druckindustrie stehe bereit und sei in der Lage die Wahlzettel zu drucken. Die Wahlleiterin gebe den schwarzen Peter an die Industrie, um von organisatorischen Problemen abzulenken, sagte Hauptgeschäftsführerin Kirsten Hommelhoff. Die Druck- und Medienwirtschaft stehe der Politik und Verwaltung zuverlässig zur Seite und sei auch „kurzfristig enorm leistungsfähig.“

Ähnlich deutlich wies der Interessensverband der Papierindustrie die Bedenken zurück. „Am Papier scheitert es nicht.“ Bei rechtzeitiger Bestellung könnten die Unternehmen das benötigte Papier auch für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern, sagte Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Papier- und Zellstoffindustrie der F.A.Z. Für eine Bundestagswahl werden nach Schätzungen des Verbands „lediglich einige Tausend Tonnen“ Papier benötigt. Dieser zusätzliche Bedarf sei angesichts der jährlichen Produktionsmenge von rund vier Millionen Tonnen grafischer Papiere gering und könne ohne Probleme geliefert werden.

Der Druckverband plädiert allerdings selbst für vorgezogene Neuwahlen und hat schon deshalb Interesse an einem reibungslosen Verlauf. Einzelne Unternehmen hingegen zeigte sich am Montag weniger optimistisch, allen voran der nach eigener Einschätzung größte Stimmzetteldrucker in Deutschland, die Bonner Druckerei Köllen Druck. Geschäftsführer Bastian Beeck hatte schon am Wochenende im „Stern“ vor möglichen Risiken gewarnt.

Köllen beliefert er nach eigenem Urteil einen Großteil der 11.000 deutschen Kommunen mit Stimmzetteln. Beeck verwies darauf, dass beim Druck immer wieder Fehler passieren, Zeit für Korrekturen gebe es bei einem so engen Zeitkorsett nicht. Die Auslieferung an die Kommunen sei vermutlich erst im Januar möglich. Vor Weihnachten sei es zu früh, und zwischen Weihnachten und Neujahr sei kaum eine Spedition zu bekommen, weil die oftmals ausländischen Fahrer dann in ihrer Heimat seien. Besonders für die Briefwahl könne das mit zeitlichen Einschränkungen verbunden sein.

Zurückhaltend äußert sich auch der Druckunternehmer Tobias Bairle, der im baden-württembergischen Dischingen, Landkreis Heidenheim, einen Betrieb mit 50 Beschäftigten führt. Er hat nach eigenem Bekunden für mehrere Wahlen bereits bis zu einer Millionen Wahlzettel gedruckt. So einfach wie dargestellt laufe der Druck nicht, sagt er der F.A.Z.

Auch er verweist darauf, dass die vorgeschriebenen Korrekturzeiten für Behörden sehr kurz würden. Die wichtigste Frage sei aber die nach Papier. Bei den letzten Kommunalwahlen habe er es in Frankreich und Belgien mit einem halben Jahr Vorlaufzeit bestellt. Wichtig sei, dass die Aufträge schnell vergeben würden, um rechtzeitig bestellen zu können. „Wenn wir Papier bekommen, können wir auch drucken.“

Nur weißes Papier

Der nach eigenen Einschätzung größte europäischer Hersteller von Recycling-Papier, die Schleswig-Holsteiner Steinbeis-Gruppe, hält die Papierverfügbar allerdings nicht für ein Problem. Anders als bei Kommunalwahlen werde in der Bundestagswahl kein farbiges Papier verwendet, sondern klassische Recycling-Papier und dieser Bedarf sei in Deutschland kurzfristig ohne Probleme zu decken, sagt Steinbeis-Manager Benjamin Höckendorf der F.A.Z.

Schwierigkeiten könnte es nach seinen Worten bei der Logistik geben, dem Verschicken der Wahlzettel an die 11.000 Wahlkreise, nicht aber in der Produktion. Steinbeis allein drucke Tage für Tag 1000 Tonnen Papier, der Bedarf wäre also in wenigen Tagen gedeckt. Auf Halde allerdings produziert Steinbeis das Papier nicht. Schon weil nicht klar sei, wie viele Namen am Ende auf dem Wahlzettel stehen werden, also wie lange der Zettel sein muss. Die Breite hingegen sei vorgeschrieben.

Der Streit über das Prozedere hält unterdessen an. Die Bundesregierung wies am Montag Anschuldigungen der Union zurück, Bundeswahlleiterin Ruth Brand lasse sich im Streit um den Termin für die geplante Neuwahl des Bundestages von ihr instrumentalisieren. „Dieser Vorwurf ist absurd“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Die Bundeswahlleiterin agiere unabhängig. Er rate dazu, die Unabhängigkeit „derjenigen, die dafür zuständig sind, nicht in Frage zu stellen“.

Die Verantwortung für den Druck der Stimmzettel liegt in Deutschland bei Kommunen und Landkreisen. Die Produktion der Wahlunterlagen wird in der Regel öffentlich ausgeschrieben, den Zuschlag erhält das wirtschaftlichste Angebot – dieses Verfahren braucht Zeit. Nach den Vorgaben des Grundgesetzes hat eine Neuwahl nach Auflösung des Bundestags innerhalb von sechzig Tagen stattzufinden.

Nach dem Bruch der Ampelkoalition hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zunächst angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Scholz zeigte sich am Sonntagabend allerdings offen für Forderungen nach einem früheren Termin.