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Die CDU steckt in einer Sackgasse: Linke nein, Ex-Kommunistin ja?

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU erzählt manchmal von seinen Begegnungen mit Sahra Wagenknecht. Um gefühlt fünf Grad sei die Raumtemperatur gesunken, wenn sie durch die Tür kam. Wagenknecht als Eisprinzessin – das passt zu dem Bild, das immer wieder von ihr gezeichnet wird.

Nach den Wahlen in Sachsen sitzt sie nicht mehr in ihrem Schlossturm und analysiert das politische Geschehen aus der Ferne, sondern will ihren Teil der Macht in Dresden. Gleiches gilt für Thüringen. Ohne das Bündnis Sahra Wagenknecht kann in beiden Bundesländern keine stabile Koalition gebildet werden. Diese Aussage gilt, weil die CDU nicht mit der AfD und auch nicht mit der Linken regieren will. Ein Parteitagsbeschluss hat diese Festlegung getroffen.

## Die politische Landschaft in Sachsen und Thüringen

Weil die AfD in Sachsen und Thüringen jeweils über 30 Prozent der Stimmen holte, braucht es Mehrparteienkoalitionen, um die Rechtsnationalen von der Macht fernzuhalten. Teil dieser Zusammenschlüsse müsste auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sein. Weil die Partei so jung ist – es gibt sie erst seit Januar – hat die CDU keinen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst. Und so ist eine Koalition mit der Linken-Abspaltung BSW möglich, deren Gründerin einst der Kommunistischen Plattform ihrer alten politischen Heimat angehörte.

Die landespolitischen Forderungen des BSW sind unproblematisch, können von allen anderen Parteien unterschrieben werden: mehr Lehrer gegen Unterrichtsausfall, mehr Polizisten gegen Kriminalität, mehr Busse und Bahnen in der Provinz gegen das Abgehängtsein. Der Knackpunkt liegt woanders und hat mit Landespolitik erst einmal nichts zu tun. Für das Eintreten in eine Koalition in Sachsen und in Thüringen besteht Wagenknecht darauf, dass sich die Landesregierungen in der Frage von Krieg und Frieden in der Ukraine positionieren. Konkret ein Auslaufen der Waffenhilfe für Kiew, der Einsatz für eine Friedenskonferenz und keine US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Über den Bundesrat sollen diese Positionen in die deutsche Außenpolitik einfließen.

## Die außenpolitische Ausrichtung von Sahra Wagenknecht

„Wenn man nicht möchte, dass die AfD immer stärker wird, dann muss man sich nicht nur sich irgendwie zusammenraufen, sondern dann müssen die Menschen spüren, dass ich in ihrem Leben konkret etwas verändert, verbessert“, sagte Wagenknecht in der neuesten Sendung von Caren Miosga. Und ergänzte: „Und es muss eben vor allem auch, natürlich auch ein Signal in außenpolitischer Hinsicht sein“.

Während der sächsische Ministerpräsident Wagenknechts Positionen in Bezug auf die Ukraine teilt und der Thüringer CDU-Vorsitzende Mario Voigt zumindest für eine stärkere Rolle der Diplomatie plädiert, kommt das für die West-CDU dem Biss in eine Zitrone gleich. Und nach sauer kommt in diesem Fall nicht lustig, weil das eigentliche außenpolitische Ziel Wagenknechts ein anderes ist.

Die Schwächung und Auflösung der Nato ist eine ihrer Forderungen, die sie seit Jahrzehnten erhebt. In den BSW-Leitlinien wird der Nordatlantikpakt nicht namentlich erwähnt, aber dort heißt es über ihn: „Eine Militärallianz, deren Führungsmacht in den zurückliegenden Jahren fünf Länder völkerrechtswidrig überfallen und in diesen Kriegen mehr als 1 Million Menschen getötet hat, schürt Bedrohungsgefühle und Abwehrreaktionen und trägt so zu globaler Instabilität bei.“ Die Führungsmacht sind natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika.

Setzte sich Wagenknecht durch, würde die Westbindung Deutschlands gelockert. In der Bundesrepublik gibt es keine andere Partei, die mit ihrer Geschichte so stark für ein festes Band mit den USA steht wie die CDU. Ein Bündnis mit Wagenknecht legte also die Axt an einen Pfeiler des Selbstverständnisses der Union und West-Deutschlands.

In Sachsen gibt es genau eine Koalitionsoption gegen die AfD ohne das BSW. Es handelt sich um ein Viererbündnis aus CDU, SPD, Grünen und Linken. Wegen des Unvereinbarkeitsbeschlusses ist aber der Weg versperrt. Zugegeben, auch die Linkspartei hat eine klare Haltung zur Nato: „Wir fordern die Auflösung der Nato und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands“, heißt es im Parteiprogramm. Anders als Wagenknecht will die Linke aber Außenpolitik nicht zum Thema von Koalitionsverhandlungen auf Länderebene machen.

In Thüringen ist die Lage noch vertrackter als im benachbarten Sachsen. Einer Koalition aus CDU, SPD und BSW fehlt genau eine Stimme zur Mehrheit. Die Linke um den geschlagenen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sperrt sich nicht gegen Gespräche. „Anders als die CDU hindert uns kein Unvereinbarkeitsbeschluss, politische Verantwortung für dieses Bundesland zu übernehmen“, sagte die Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig unserer Redaktion. „Jetzt sind erst einmal Mario Voigt und die CDU an der Reihe, Wege für eine neue Regierung zu finden. Wir stehen für Gespräche zur Verfügung – darin wird sich zeigen, welchen Weg unser Land einschlagen kann.“

In der CDU gibt es mit dem früheren Generalsekretär Mario Czaja einen prominenten Kopf, der ein Einreißen der Brandmauer zur Linken fordert. „Es gab eine immer stärkere westdeutsche Umklammerung, die unter anderem dazu geführt hat, dass man in Thüringen eben nicht mit der Linken unter Bodo Ramelow zusammengegangen ist“, sagte der aus Ost-Berlin stammende Czaja unserer Redaktion. Sein Plädoyer an die ostdeutsche CDU lautet deshalb, die eigene politische Souveränität einzufordern, sich zu erklären und „sich nicht in der Umklammerung selbst zu beweinen“.