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Warum wählen viele Junge die AfD? – Analyse des Wahlverhaltens von Experten

Die Thüringer AfD will nach der Wahl besonders mit der Sperrminorität ihre Macht nutzen – als stärkste Kraft erstmals in einem Bundesland. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wurde die AfD bei jungen Wähler*innen jeweils mit deutlichem Abstand stärkste Kraft. In Thüringen setzten laut Forschungsgruppe Wahlen 35 Prozent der Menschen zwischen 18 und 29 Jahren ihr Kreuz bei der AfD. Das waren zehn Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2019. In Sachsen wählten 29 Prozent in der Altersgruppe die AfD und damit acht Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren.

Das starke Abschneiden der AfD bei jungen Wähler*innen war aus Sicht des Forschers Rüdiger Maas vom Augsburger Institut für Generationenforschung nicht überraschend. Kurz vor den Landtagswahlen im Osten veröffentlichten Maas und sein Team eine Jugendwahlstudie zu diesem Thema. Es habe demnach eine „Normalisierung der Partei“ stattgefunden, sagt Maas. Laut Studie wird ein klassisches Links-Rechts-Spektrum in der Politik von Jüngeren gar nicht mehr als solches wahrgenommen. Gleiches gelte für „links- und rechtsextreme Parteien“ – diese seien dadurch nicht mehr als solche sichtbar und rutschten für die Wählergruppe „automatisch in die Mitte“ der Parteienlandschaft.

Die sozialen Netzwerke, wie TikTok oder X, seien starke Treiber der AfD-Themen. 52 Prozent der Jungwähler*innen, die auch die AfD wählen, nutzten Social Media als Hauptinformationsquelle, so die Studie. Laut Maas verfangen sich dort „Extrem-Meinungen“ und „Extrem-Themen“ sehr gut. Man müsse hierbei beachten, dass oft nur kurze Ausschnitte aus Talkshows mit AfD-Politiker*innen so zurechnet geschnitten würden, wie es passt. Die AfD habe viele Promoter*innen und Influencer*innen, die ihnen bei der Verbreitung ihrer Themen helfen. Die Videos der in Teilen rechtsextremistischen Partei wurden in den letzten beiden Jahren hunderttausendfach geklickt. Politiker anderer Parteien und User wollen nun dagegenhalten.

Die restlichen Parteien müssten sich daher an dieser Stelle mehr bemühen, wenn sie Social Media den Extremparteien nicht überlassen wollten, so der Generationenforscher.

Andere Parteien tragen aus Sicht von Maas durch das eigene Vorgehen eine gewisse Mitschuld: Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe mit seinem „wir müssen großflächig abschieben“ – ähnlich wie die CDU – AfD-Themen stark aufgegriffen und einen Nährboden für die Partei geschaffen, sagt Maas. „Das heißt, dieses Nachahmen von der AfD führt tatsächlich immer mehr dazu, dass AfD-Wähler*innen sich immer mehr bestätigt fühlen im richtigen Spektrum zu sein.“ Das treffe eben auch sehr stark auf die jungen Wähler*innen zu, sagt Maas weiter.

Laut Studie gaben 70 Prozent der jungen Menschen, die die AfD wählen, an, dass die momentane Regierung gegen sie arbeite und sich nicht für die „einfachen Menschen“ interessiere. Da verfangen sehr stark die Themen der AfD, weil die sehr nahbar wirken in ihren Botschaften: Ich kümmere mich um dich, ich werde dafür sorgen, dass alles gut wird.

Zu den Themen, die den Jüngeren Angst machen, gehört laut Rüdiger Maas vor allem Altersarmut. Jungen Menschen würden auf diese Thematik bereits bei ihren Eltern treffen, wenn zum Beispiel deren Rente nicht gesichert sei. Oder wenn es um steigende Mietpreise oder die noch immer große Ungleichheit zwischen Löhnen im Westen und Osten gehe.

In den Blick müsse man aber auch unterschiedliche Betrachtungsweisen nehmen, was den Krieg in der Ukraine, den Umgang mit dem Coronavirus und offene Grenzen betreffe. All diese Themen wurden nie richtig aufgearbeitet. Man hat nie mit den Leuten da gesprochen, man ist nie richtig dort reingegangen, sondern man hat es immer übergangen, man hat immer sehr schnell abgestempelt.

Die AfD-Wahlerfolge in Thüringen und Sachsen seien „mehr als eine Protestwahl“, analysiert Politikwissenschaftler Lembcke im ZDF-Interview. Für die kommende Landtagswahl in Brandenburg erwartet der Experte ein ähnliches Ergebnis wie in Sachsen und Thüringen. Doch ein einziger „Shitstorm“ auf Social Media könne das Wahlverhalten der jungen Wählerschaft in eine andere Richtung lenken.

Sachsens AfD hat auf TikTok, Instagram und Facebook die meisten Follower. Alle anderen Parteien wollen auf den Plattformen auch überzeugen und neue Wählergruppen erreichen.