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Putin-Gegner ermordet: Mörder kämpft in Ukraine – Aktuelle Entwicklungen

Berlin. Der Mann saß wegen des Mordes an Kreml-Gegner Boris Nemzow im Gefängnis. Im Frühjahr wurde er begnadigt. Die News im Blog.

Nemzow-Mörder an der Front

Der Verurteilte im Fall des ermordeten Kremlgegners Boris Nemzow hat sich nach offiziellen Angaben für den Einsatz im Kriegsgebiet in der Ukraine gemeldet. Die Internetausgabe der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtet, dass der Verurteilte im russisch besetzten Mariupol stationiert sei. Derzeit soll er jedoch Urlaub in seiner Heimat in der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus machen. Nachdem er für den Dienst unterschrieben hatte, sei er im März begnadigt und freigelassen worden, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die russische Justiz. Demnach unterschrieb der Mann einen Einjahresvertrag mit dem Verteidigungsministerium darüber, Aufgaben im Gebiet der militärischen Spezialoperation – wie der Krieg im offiziellen Sprachgebrauch in Russland heißt – auszuführen.

„Er beteiligte sich an dem Mord an Nemzow und geht jetzt in der Ukraine töten“, kritisierte der Kremlgegner Ilja Jaschin auf seinem Telegram-Kanal. „Das ist natürlich eine Verhöhnung des Gedenkens an meinen gestorbenen Freund.“ Jaschin kam kürzlich bei dem beispiellosen Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten frei und lebt im Exil in Deutschland. Er hatte eng mit dem prominenten Oppositionellen, der als großer Freund der Ukraine galt, zusammengearbeitet.

Der ehemalige Vize-Regierungschef Nemzow war 2015 in Kremlnähe erschossen worden. Ein Gericht in Moskau hatte 2017 den mutmaßlichen Mörder und vier Komplizen aus dem Nordkaukasus zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Mord an Nemzow wirft noch immer viele Fragen auf. Seine Familie beklagte, dass nach den Drahtziehern nie wirklich gesucht worden sei. Nemzow gehörte zu den schärfsten Kritikern des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Selenskyj: Ukrainische Armee rückt in Kursk weiter vor – Moskau widerspricht

Die ukrainische Armee ist nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj in der westrussischen Region Kursk weiter auf dem Vormarsch – nach Darstellung Moskaus hingegen wurde ihr Vormarsch gestoppt. „In der Region Kursk rücken wir weiter vor, seit Tagesbeginn in verschiedenen Gebieten um ein bis zwei Kilometer“, sagte Selenskyj am Mittwoch. Auch seien hundert weitere russische Soldaten gefangen genommen worden. Dies werde die Rückkehr ukrainischer Militärangehöriger beschleunigen, sagte der Präsident.

Das russische Militär erklärte hingegen am Mittag, seine Einheiten hätten unterstützt von der Luftwaffe, von Drohnen und von Artillerie „die Versuche mobiler feindlicher Gruppen vereitelt, mit gepanzerten Fahrzeugen tief auf russisches Territorium vorzudringen“. In der Erklärung der Armee hieß es weiter, den Ukrainern seien schwere Verluste zugefügt worden.

Litauen: Russland verlegt Truppen aus Kaliningrad nach Kursk

Als Reaktion auf den Einmarsch der Ukraine in die Region Kursk verlegt Russland nach Angaben des litauischen Verteidigungsministers Laurynas Kasciunas einen Teil seiner Truppen aus seiner Ostsee-Exklave Kaliningrad. „Sie brauchen mehr Ressourcen und versuchen, diese aus anderen Bereichen abzuziehen“, sagte Kasciunas der baltischen Agentur BNS. Nähere Angaben machte er nicht. Kaliningrad liegt zwischen den EU- und Nato-Ländern Polen und Litauen. Von russischer Seite gab es keine Angaben dazu.

SPD-Außenpolitiker sieht in Kursk-Offensive Botschaft an Moskau: „Ihr seid nicht unantastbar“

Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sieht in der ukrainischen Offensive im Raum Kursk auch eine politische Botschaft an die russische Führung. „Militärisch steht hinter dem Vorstoß der Ukraine offenbar das Ziel, russische Kräfte dort zu binden“, sagte Schmid dieser Redaktion. „Die Offensive hat aber vor allem auch politische Bedeutung und soll an Russland die Botschaft senden: ‚Ihr seid nicht unantastbar, ihr seid verwundbar.‘“ Die Ukraine habe aber klargemacht, die eroberten russischen Gebiete nicht dauerhaft besetzen zu wollen. „Aber selbst eine vorübergehende Präsenz setzt voraus, dass die ukrainischen Truppen ihre Stellungen verfestigen können“, sagte Schmid weiter. „Ob sie dafür ausreichend Kräfte haben, lässt sich derzeit schwer beurteilen. Das hängt auch davon ab, wie massiv der russische Gegenschlag sein wird.“

Auch russische Region Belgorod verhängt Ausnahmezustand

Im russischen Grenzgebiet zur Ukraine hat nun auch die Region Belgorod den Ausnahmezustand verhängt. Die Lage in der Region bleibe ziemlich schwierig und angespannt, sagte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Zuvor hatte nach dem Einmarsch ukrainischer Truppen das Gebiet Kursk einen Notstand von nationaler Bedeutung ausgerufen, eine Stufe höher als in Belgorod. Die Region Belgorod meldete wie Kursk und andere Gebiete erneut Drohnen- und auch Raketenbeschuss von ukrainischer Seite. Das russische Verteidigungsministerium sprach von 117 abgewehrten Drohnenattacken und 4 zerstörten taktischen Raketen. Auch russische Militärflugplätze sollen angegriffen worden sein.

Putin zieht die Reißleine

Seit mehr als eine Woche sind ukrainische Truppen in der Region Kursk auf dem Vormarsch. Zuletzt musste Belgorod den Notstand ausrufen. Nun zieht Kremlchef Wladimir Putin die Reißleine. Wie die „Moscow Times“ berichtet, ordnete er eine „Anti-Terror-Operation“ an. Er vertraut sie allerdings nicht einem Militär an, sondern einem Vertrauten: Alexei Djumin, ein früherer Leibwächter des Machthabers. Der Mann gilt seit Langem als Putins „Allzweckwaffe“.

Djumin soll das Kommando in der Region übernehmen und Koordinationsprobleme zwischen dem Kreml und der Region lösen. Die Zeitung beruft sich auf Militärblogger und auf den Moskauer Parlamentsabgeordneten Nikolai Ivanow, der – wie Djumin – aus der Region Kursk stammt. Eine offizielle Bestätigung steht noch aus.

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Djumin genießt in der Armee und in den Spezialkräften hohes Ansehen. Nun wird über eine Absetzung von Oberbefehlshaber Waleri Gerassimow spekuliert. Gerassimow hatte die Situation in Kursk beschönigt und vom ersten Tag beteuert, dass die Offensive der Ukraine zurückgeschlagen wurde; sei es aus Unkenntnis oder Kalkül.

Ukraine kontrolliert 74 Ortschaften in russischer Grenzregion Kursk

Die Ukraine kontrolliert nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj inzwischen 74 Ortschaften in der russischen Grenzregion Kursk. „74 Ortschaften sind unter der Kontrolle der Ukraine“, sagte Selenskyj am Dienstag in seiner abendlichen Videoansprache. Der amtierende Gouverneur der russischen Region, Alexej Smirnow, hatte am Montag gesagt, 28 Ortschaften in Kursk seien von den ukrainischen Einheiten besetzt. Selenskyj sagte am Dienstag, die ukrainischen Streitkräfte rückten „trotz schwieriger und intensiver Kämpfe“ weiter vor und hätten weitere russische Soldaten gefangengenommen, um sie gegen ukrainische Kriegsgefangene auszutauschen. Der Präsident veröffentlichte ein Video, das ihn bei einem Videotelefonat mit dem ukrainischen Armeechef Oleksandr Syrskyj zeigt. Syrskyj berichtet darin, die ukrainischen Truppen seien „in einigen Gebieten um ein bis drei Kilometer vorgerückt“. Binnen eines Tages habe die Ukraine „mehr als 40 Quadratkilometer Territorium“ eingenommen.

Ukraine sieht Kursk als Faustpfand für Friedensverhandlungen

Die Ukraine sieht ihre Eroberungen im russischen Gebiet Kursk nur als eine Art Faustpfand für Friedensverhandlungen. Im Gegensatz zu Russland wolle sich die Ukraine nicht fremdes Gebiet aneignen, sagte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tychyj, in Kiew. „Die Ukraine ist nicht daran interessiert, Territorium in der Region Kursk zu erobern. Wir wollen das Leben unserer Menschen schützen.“ Ähnlich wie Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montagabend begründete Tychyj die mittlerweile acht Tage dauernde Operation damit, dass sie russische Angriffe auf das ukrainische Nachbargebiet Sumy unterbinden solle. Außerdem solle die russische Logistik gestört werden, um zu verhindern, dass Moskau zusätzliche Truppen in das ostukrainische Kampfgebiet Donezk verlegt. „Je eher sich Russland bereiterklärt, einen gerechten Frieden wiederherzustellen, (…) desto eher werden die Angriffe der ukrainischen Verteidigungskräfte auf das Gebiet Russlands aufhören“, sagte Tychyj ukrainischen Medien zufolge. Die ukrainische Armee sei eine zivilisierte Streitkraft und halte sich an die Regeln der Kriegsführung und an das internationale humanitäre Recht. „Ziele der ukrainischen Streitkräfte sind die Soldaten.“

Russland will Flüchtlinge aus Kursk in die Ukraine bringen

Nach dem Vorstoß der Ukraine in die russische Region Kursk wollen die dortigen Behörden Flüchtlinge in ein von Russland besetztes Gebiet in der Ukraine bringen. Er habe mit dem Gouverneur der Region Saporischschja über diese Lösung gesprochen, teilte der amtierende Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, auf Telegram mit. Sein Amtskollege Jewgeni Balizki habe vorgeschlagen, zur Unterbringung der Evakuierten die Sanatorien und Pensionen am Asowschen Meer zu nutzen. „In den kommenden Tagen werden wir erste Transporte zusammenstellen, um Menschen in die Notunterkünfte in der Region Saporischschja zu bringen.“ Russland hatte die zur Ukraine gehörende Region Saporischschja im Herbst 2022 annektiert und schon davor den Ukrainer Balizki als moskautreuen Statthalter eingesetzt. Moskau kontrolliert das Gebiet zwar nicht vollständig, hatte aber vor allem den Zugang zum Asowschen Meer besetzt, wo es bis heute auch Sanatorien gibt. Dort sollen nun die Flüchtlinge unterkommen.

Ukraine meldet Raketenangriff auf Stadt Sumy

Die ostukrainische Großstadt Sumy ist nach Behördenangaben in der Nacht Ziel eines russischen Raketenangriffs gewesen. Es seien Objekte der Infrastruktur getroffen worden, teilte die Militärverwaltung des Gebietes Sumy auf Telegram mit. Angaben über mögliche Treffer auf militärische Ziele macht die ukrainische Seite prinzipiell nicht. Über Sumy werden die ukrainischen Truppen versorgt, die seit mehr als einer Woche im russischen Nachbargebiet Kursk operieren.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe setzte die russische Armee in der Nacht zwei ballistische Iskander-Raketen und 38 Kampfdrohnen gegen die Ukraine ein. 30 Drohnen seien abgefangen worden, hieß es. In weiten Teilen der Ukraine hatte nachts Luftalarm gegolten. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, es seien in der Nacht 14 ukrainische Drohnen abgefangen worden – die meisten von ihnen über dem Gebiet Kursk. Die Militärangaben sind meist nicht unabhängig überprüfbar.

Moskau kündigt harte Antwort auf Vorstoß in Kursk an

Als Reaktion auf die Attacken der Ukraine auf Territorium in Russland schrieb die russische Außenamtssprecherin, Maria Zakharova, auf Telegram: Die „Täter dieser Verbrechen (…) werden dafür zur Rechenschaft gezogen.“ Sie fügte hinzu: „Eine harte Reaktion der russischen Streitkräfte wird nicht lange auf sich warten lassen“, fügte sie hinzu. Die Ukraine ihrerseits teilte laut der Nachrichtenagentur Reuters mit, dass sie im Zuge ihres größten grenzüberschreitenden Angriffs im Kriegsverlauf 1000 Quadratkilometer der russischen Region Kursk erobert habe und dass der russische Präsident Wladimir Putin zu einem Friedensschluss gezwungen werden müsse.

Wladimir Putin hat sich erstmals zur überraschenden Kursk-Offensive der ukrainischen Armee geäußert.

Er hat die Streitkräfte seines Landes aufgefordert, die in die Region um Kursk vorgestoßenen ukrainischen Einheiten aus dem russischen Staatsgebiet zurückzudrängen. „Die Hauptaufgabe des Verteidigungsministeriums besteht nun darin, den Feind aus unseren Gebieten zu vertreiben und eine zuverlässige Grenzsicherung zu gewährleisten“, sagte Putin nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Die Führung in Kiew wolle mit dem Vorstoß auf russisches Gebiet ihre künftige Verhandlungsposition stärken, sagte Putin weiter. Er erteilte Verhandlungen aber eine Absage. „Über welche Art von Verhandlungen können wir überhaupt mit Leuten reden, die wahllos Zivilisten und zivile Infrastruktur angreifen oder versuchen, Atomkraftwerke zu gefährden?“ Nach einem Brand am russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja geben sich beide Seiten derzeit die Schuld an dem Feuer.

Gouverneur spricht von 120.000 Evakuierten im Gebiet Kursk

Wegen des ukrainischen Vorstoßes in das russische Gebiet Kursk sind nach Behördenangaben etwa 120.000 Menschen evakuiert worden. Weitere 60.000 Menschen hielten sich noch in den Landkreisen auf, die zur Sicherheit geräumt werden müssen, sagte der kommissarische Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, in einer Beratung mit Präsident Wladimir Putin. Er nannte weitere Zahlen, die das Ausmaß der seit sieben Tagen laufenden Offensive der Ukraine verdeutlichen: 28 Ortschaften seien in ukrainischer Hand, der Aufenthaltsort von etwa 2.000 Personen sei unklar. „Die Lage in der Region ist schwierig“, sagte Smirnow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Seinen Angaben nach betrifft die Evakuierung sechs Landkreise des Gebietes Kursk, die an die Ukraine grenzen. Dazu kämen zwei Kreise in der Nähe des Kernkraftwerks Kursk. Die Gouverneur sagte, die ukrainische Armee sei auf 40 Kilometer Breite etwa 12 Kilometer tief auf russisches Gebiet vorgestoßen. Von Bürgern in der betroffenen russischen Region gab es in den vergangenen Tagen viele Klagen, dass die Evakuierung schlecht organisiert sei. Tausende flüchteten aus ihren Heimatorten. Überprüfbar waren die Angaben des Gouverneurs nicht. Smirnow wurde per Video zu der Beratung in Putins Residenz bei Moskau zugeschaltet.

Bundesregierung zu Kursk: Vorstoß sehr geheim und ohne Rückkoppelung

Die Bundesregierung ist über die Details des ukrainischen Vorstoßes auf russisches Staatsgebiet offensichtlich nicht vor