Der CSU-Parteitag am Wochenende in Augsburg war ein Erfolg. Nicht nur, weil das Catering geklappt hat, was dem Parteivorsitzenden Markus Söder immer besonders wichtig ist, sondern auch, weil Dissonanzen zwischen ihm und dem Gast Friedrich Merz ausgeblieben sind. Es ist zwar wenig glaubhaft, dass die Kür des Kanzlerkandidaten Merz so reibungslos war, wie die beiden es darstellen. Aber sie stellen es unisono so dar. Allein das lässt die Union mit Blick auf die Bundestagswahl hoffen.
Dass Söder sich weniger von Merz düpiert fühlt als vom selbst ernannten Kandidatenkandidaten Hendrik Wüst, könnte sogar zum Vorteil des CDU-Chefs sein. Motto: Der Gegner meines Gegners ist mein Verbündeter. Positiv aus Unionssicht ist auch, dass die Schwesterparteien sich beim zentralen Thema Migration weitgehend einig sind – anders als 2015 oder 2018. Aber Söder neigt dazu, überzogene Forderungen zu stellen, die Merz sich nun nicht mehr zu eigen machen kann: weil er weiß, dass er sie als Kanzler womöglich nicht erfüllen kann. Der CSU-Leitantrag zur Migration nahm so wenig Rücksicht auf die Partnerländer, dass Roberta Metsola, Präsidentin des EU-Parlaments und Gast auf dem Parteitag, die Union an ihr europäisches Erbe und die Bedeutung „einer ausgewogenen, durchdachten Lösung“ erinnern musste.
Zwist mit Manfred Weber
Auch die Bewirtschaftung der politischen Mitte, die Merz in Augsburg angemahnt hat und die selbstverständlich sein sollte, wenn die Union Volkspartei bleiben will, könnte von Söder erschwert werden. Ein Menetekel war sein Zwist mit Manfred Weber. Der stellvertretende CSU-Vorsitzende hatte sich in der Woche vor dem Parteitag in Interviews für ein Offenhalten von Schwarz-Grün im Bund ausgesprochen – und sich damit gegen seinen Parteichef gestellt.
Die Sache ist vielschichtig. Weber ist beliebt an der Parteibasis, manchen Funktionären geht er aber regelmäßig auf den Zeiger, wenn er sich zum guten Gewissen der CSU stilisiert. Der EVP-Chef, der sich mindestens auf Augenhöhe mit Söder sieht, hat mit politischen Einschätzungen schon danebengehauen, öfter aber recht behalten, ob das nun seine frühzeitig kritische Haltung zu Russland war oder seine pragmatische zu Giorgia Meloni. Als er dafür warb, die umstrittene italienische Ministerpräsidentin dialogisch einzubinden, ließ Söder ihn auflaufen. Heute ist klar: Hätte die EVP zu Melonis Leuten keinen Draht, wäre sie im EU-Parlament potentiell auf die Grünen angewiesen. Das dürfte auch Söder nicht wollen.
Starke Freie Wähler in Bayern
Schließlich poltert er gegen die Grünen mehr als gegen jede andere Partei. Man kann verstehen, dass er da Klarheit signalisieren will. In Bayern hat er es mit starken Freien Wählern zu tun, die versuchen würden, jedes Wackeln für sich zu nutzen. Die Grünen sind auch im Freistaat für viele zum Schreckgespenst geworden. Sie haben selbst dazu beigetragen, durch handwerkliches Ungeschick, durch Doppelmoral.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es nicht zuletzt in Bayern dezidiert schwarz-grüne Wählermilieus gibt – Stichwort SUV und Biomarkt – und dass Söder am grünen Feindbild eifrig mitgepinselt hat. Er behauptet heute zwar gerne, zu Beginn der Legislatur hätten Habeck und Co. ja ganz gute Arbeit gemacht. Doch: Wann soll das gewesen sein, und wann hätte er ihnen das je zugestanden? Söder wirft den Grünen Ideologie und Klientelismus vor. Dafür sollte er, der sich auf Druck aus der eigenen Partei von Bäumen und Bienen abgewendet hat, doch alles Verständnis haben. Sein zweiter Hauptvorwurf ist, die Ampel, zumal die Grünen, benachteilige Bayern. Dafür gibt es in der Tat Anhaltspunkte.
„Der Süden vergisst nicht“, sagte Söder auf dem Parteitag. Das mag sein – und dürfte dem Norden mit Blick auf die CSU nicht anders gehen. Aber ist nicht das Vergessenkönnen eine der politischen Kardinaltugenden, auf deren Vorkommen bei anderen Söder im Übrigen ganz besonders angewiesen ist? Es kann sein, dass seine Rechnung aufgeht und die Union in der Bundestagswahl so stark abschneidet, dass sie AfD, BSW und Grüne nicht braucht und eine Koalition mit der FDP oder der SPD bilden kann. Ob Letzteres besser wäre als Schwarz-Grün, haben Merz und Weber schon mal in Zweifel gezogen.
In Söders Umfeld behauptet man, sein Nein zu den Grünen sei mit Merz, der sich die Option offenlässt, abgestimmt. Eine geniale Rollenverteilung also? Zutreffender ist wohl, dass Söder die Bewegungsfreiheit von Merz einschränkt und sich selbst die nächste Glaubwürdigkeitsfalle stellt. Manche in der CSU sehen das locker: Schon die Wittelsbacher seien geschmeidig gewesen, und Söder sei es schon zweimal. Doch passt derlei politische Frivolität noch in diese angeblich so ernsten Zeiten? Merz jedenfalls erweckte auf dem Parteitag den Eindruck, dass er etwas anderes will: „Verlässlichkeit, Beständigkeit, Vorhersehbarkeit.“