Der Kampf gegen medizinische Fehler: Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen
Was an der Uniklinik Essen passiert, ist nur ein kleiner Teil des „Smart Hospital“ Konzepts, das die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreibt. Fast alle Herzpatienten, die zustimmen, landen während ihres Krankenhausaufenthaltes einmal in einem kleinen, zum Fotostudio umfunktionierten Raum. Rund 5000 Patienten haben bereits daran teilgenommen. Dort machen Werkstudenten Fotos von den Gesichtern der Patienten, um Merkmale zu identifizieren, die auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinweisen könnten, wie etwa bestimmte Ohrfalten oder Veränderungen im Augenhintergrund.
Die Idee dahinter ist, eine KI zu trainieren, die in Zukunft in der Lage sein soll, mit Gesichtserkennung das akute Herzinfarktrisiko eines Nutzers vorherzusagen. Die Ärzte sammeln Bilder von Patientengesichtern und Diagnosen, um die KI zu trainieren. Durch die Digitalisierung und den Einsatz von KI soll eine Smartphone-App entwickelt werden, die eine präzise Vorhersage des Herzinfarktrisikos ermöglicht, ganz einfach mit dem privaten Handy zu Hause.
KI-Projekte im Gesundheitswesen
Die Gesichtserkennungs-App ist nicht das einzige KI-Projekt von Tienush Rassaf, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie. Parallel arbeitet er an einem Screening-Verfahren für kardiale Amyloidose, einer schweren Herzkrankheit. Auch hier trainieren sie eine KI, um Hausärzten zu helfen, ein erhöhtes Risiko ihrer Patienten mithilfe von EKG-Elektroden zu erkennen, die sie an ihr Smartphone anschließen können.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet enorme Potentiale, aber auch Herausforderungen. Die Anfangsinvestitionen sind hoch, und es bedarf einer Schulung des Personals. Experten warnen vor simplen Kosten-Nutzen-Rechnungen, da der Nutzen von geretteten Menschenleben nicht monetär bewertet werden kann. Die Krankenhausdigitalisierung erfordert komplexe Überlegungen zur Effizienzsteigerung und Verbesserung der Versorgungsqualität.
Fördermöglichkeiten und Herausforderungen
Es gibt zahlreiche Fördermöglichkeiten für Krankenhäuser, um an Gelder für die Digitalisierung zu gelangen. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat den deutschen Kliniken bis zu 4,3 Milliarden Euro für Digitalisierungsprojekte bereitgestellt. Es gibt auch weitere Fördermöglichkeiten durch die Länder, die EU und das Wirtschaftsministerium. Krankenhäuser müssen sich jedoch bewusst sein, dass die Digitalisierung hohe Kosten verursacht und der Nutzen nicht immer direkt messbar ist.
Jochen Werner, Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Essen, ist ein Verfechter der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er hat bereits 2015 mit dem Umbau seines Hauses zum Smart Hospital begonnen. Die Digitalisierung betrifft drei Bereiche: Verwaltung, Diagnostik und Therapie. Werner schätzt, dass etwa 100 Millionen Euro benötigt werden, um seine Vision von smarten Prozessen im gesamten Krankenhaus umzusetzen. Die Digitalisierung erfordert nicht nur Hardware, sondern auch qualifiziertes Personal und eine enge Verzahnung von Krankenversorgung und Forschung.
Innovative Technologien im Gesundheitswesen
In Essen werden innovative Technologien eingesetzt, um die Effizienz und Genauigkeit in der Diagnose und Therapie zu verbessern. Im Zentrallabor werden Blut- und Urinproben mit Hilfe von Robotern analysiert, um die Wartezeiten für die Ergebnisse zu verkürzen. Die Laborautomation und Robotik helfen, den steigenden Analysebedarf zu bewältigen und die Qualität der Ergebnisse zu gewährleisten.
In der Protonentherapie werden hochpräzise Protonenstrahlen zur Behandlung von Krebs eingesetzt. Ärzte nutzen KI, um Gewebelandkarten anzufertigen und den Strahl exakt zu platzieren. Die KI hilft den Ärzten, Zeit zu sparen und die Genauigkeit der Behandlung zu verbessern. Digitalisierung und KI tragen dazu bei, medizinische Verfahren effektiver und präziser zu gestalten.
Herausforderungen und Risiken der Digitalisierung
Bei der Anwendung von KI im Gesundheitswesen sind auch Risiken zu beachten. Felix Nensa, Leiter des Instituts für KI in der Medizin, warnt vor „Overtrust“, der übermäßigen Abhängigkeit von KI-Systemen. Ärzte neigen dazu, einer KI zu sehr zu vertrauen, was zu schwerwiegenden Folgen führen kann. Außerdem besteht die Gefahr des „Deskilling“, bei dem Ärzte durch den Einsatz von Technologie eigene Fähigkeiten verlieren. Die Einbeziehung von Daten mit „Bias“, also Verzerrungen, kann zu ungenauen Ergebnissen führen.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet enorme Chancen, aber auch Herausforderungen. Es ist wichtig, die Potentiale der Technologie zu nutzen, ohne die menschliche Komponente und Fürsorge zu vernachlässigen. Die richtige Balance zwischen Innovation und Tradition zu finden, ist entscheidend für die Zukunft des Gesundheitswesens.