Die Grünen haben auf ihrem Parteitag in Wiesbaden am Abend für eine Reform der Erbschaftsteuer gestimmt und über die Abschaffung der Schuldenbremse diskutiert. Der Antrag „Gerechtigkeit statt Spardiktat: Für ein Land, das funktioniert“ wurde am Abend lebhaft debattiert. Für die stark sozialpolitisch orientierte Grüne Jugend war dieser Antrag wichtig, sie warb für die Abschaffung der Schuldenbremse, um in soziale Gerechtigkeit, Infrastruktur und Bildung investieren zu können. Zudem sollten die Erbschafts- und die Vermögenssteuer reformiert werden, um mehr Geld für den Haushalt zu erwirtschaften.
Zu dem Antrag gab es mehr als 60 Änderungsanträge. Die Antragsteller argumentierten: „Spardiktat in Krisenzeiten gefährdet Demokratie, Wirtschaft und Umwelt“. Die Diskussion über Fragen sozialer Gerechtigkeit wurde von den Mitgliedern der Partei unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ zum wichtigsten Antrag der Parteitagsdebatte gewählt. Einer der Antragsteller, Rasmus Andresen aus Schleswig-Holstein, nannte die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland „demokratiezersetzend“. Dazu müsse die Schuldenbremse reformiert und eine Vermögenssteuer eingeführt werden.
Grüne Jugend: Schuldenbremse gehört „in Mottenkiste der Geschichte“
Darüber hinaus schlägt der Antrag eine Neuverschuldung in Höhe von 400 Milliarden Euro vor, um ein „Investitionspaket“ für Infrastruktur, „Investitionen in Krankenhäuser, bezahlbares Wohnen, Schulen, Kitas und unser Schienennetz“ zu schnüren. Die Schuldenbremse gehöre, so Vertreter der Grünen Jugend „in die Mottenkiste der Geschichte“. Jakob Blasel, Vorsitzender der Grünen Jugend, nannte die Schuldenbremse „eine Demokratiebremse“ und forderte in einem Änderungsantrag die ersatzlose Streichung. Dem allerdings widersprachen die Antragsteller und bekamen dabei Unterstützung des neuen Parteivorsitzenden Felix Banaszak. Der Parteitag sprach sich schließlich für eine Reform der Schuldenbremse aus, lehnte aber mit etwa Zweidrittelmehrheit die Forderung der Grünen Jugend ab.
Der Antrag warb zudem für 100 Milliarden für Sozialen Wohnungsbau, Wohnungsbauunternehmen solle ein „Renditendeckel“ auferlegt werden. Andere warben für ein „Mietenlimit“ und forderten einen Stopp weiterer Ausgaben für die Verteidigung, insbesondere solle es kein weiteres „Sondervermögen“ geben und die Streitkräfte abgerüstet werden, um der Friedensbewegung wieder näher zu ein. Dieses Ansinnen fand allerdings wenig Beifall, die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger sagte, der Antrag müsse abgelehnt werden. Deutschland müsse wehrhaft sein, auch wenn das bitter sei. „Es geht darum, ob wir unseren Kindern das geben, was wir selbst über Jahrzehnte so selbstverständlich genommen haben: Frieden, Freiheit und Sicherheit.“ Die Delegierten folgten Brugger nahezu einmütig, bei nur wenigen Enthaltungen.
Am späten Samstagabend wollten die Delegierten noch über den Antrag VR 07 zur Migrations- und Asylpolitik entscheiden, mit dem Titel: „Zurück zur Vernunft“. Zu dem Antrag hatte es ganze 180 Änderungsanträge gegeben, bis in den Samstag hinein war mit Antragsstellern verhandelt worden, um drohende Konflikte abzuwenden oder zu scharfe Formulierungen abzumildern. Außenministerin Annalena Baerbock hatte schon in ihrer Rede zum Auftakt des Parteitags am Freitag die Prinzipien „Humanität und Ordnung“ verteidigt.
Im Antrag heißt es: „Die Debatte darf sich nicht länger in Schlagworten verlieren, wir müssen ins ernsthafte Handeln kommen, um das Asylrecht zu retten.“ Festgehalten wird in dem Antrag mit kritischem Blick auch auf die eigene Regierungszeit: „Der Migrationsdiskurs ist aber aus einer vernünftigen Bahn geraten, er trägt so zum Aufstieg der Rechtsextremen bei. Wir werden dazu beitragen, dass die Migrationsdebatte zurück zur Vernunft findet.“
Sechs Punkte werden in dem Antrag als Konsequenz für eine neue Asyl- und Migrationspolitik gefordert. So heißt es unter dem ersten Punkt, dass die Bundesregierung ein Expertengremium berufen solle, um unter anderem zu klären, was Kommunen wirklich brauchten. Migrationspartnerschaften mit internationalen Partnern werden angestrebt, bestehende Migrationsdeals mit der Türkei oder Tunesien aber kritisiert wegen menschenrechtlicher Bedenken. Die beschleunigte Umsetzung der europäischen Asylreform wird gefordert, stationäre Kontrollen an der Grenze zu Deutschland kritisiert. Das Asylrecht solle man dem Antragstext zufolge „als große Errungenschaft feiern und als historische Verantwortung verteidigen“. Arbeitsverbote sollen grundsätzlich aufgehoben und festgeschrieben werde, dass, wer in Deutschland arbeite, eine Ausbildung mache oder studiere, und sich „nichts zu Schulden kommen“ lasse, das Land auch nicht verlassen müsse.