Analyse: Stimmung bei TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump
Es war die Fernsehdebatte zwischen Joe Biden und Donald Trump Ende Juni, die wegen des katastrophalen Auftritts Bidens schließlich dessen Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf nach sich zog. Umso größer ist die Spannung vor dem Streitgespräch zwischen Kamala Harris und Donald Trump am Dienstagabend. Es könnte das erste und letzte Fernsehduell der beiden sein. Trump will noch zwei weitere Termine, doch Harris hat das bisher abgetan – darüber könne man sprechen, wenn Trump denn wirklich zur Debatte erschienen sei. Ein Überblick über die Spielregeln und Themen des Abends.
Wie chaotisch wird das TV-Duell?
Der Streit über die Regeln der Fernsehdebatte wurde erst in der vergangenen Woche beigelegt. Nun ist klar: Es gibt in Philadelphia kein Live-Publikum, keine einleitenden Redebeiträge der Kandidaten, und die Mikrofone der beiden sind stummgeschaltet, wenn sie nicht an der Reihe sind – das wollte Harris‘ Wahlkampfteam eigentlich verhindern. Es dürfte darauf gehofft haben, dass Trumps Temperament wieder einmal mit ihm durchgeht und er sich zu unflätigen Bemerkungen hinreißen lässt.
Trump und Harris dürfen während der eineinhalb Stunden langen Debatte keine vorgefertigten Notizen nutzen, sondern nur handschriftliche Notizen machen. Das letzte Wort hat der Republikaner. Trump hat beim Losen gewonnen und sich dafür entschieden, sein Abschlusswort nach Harris zu sprechen. Wer das in Deutschland sehen will, muss lange wach bleiben. Die Debatte beginnt in der Nacht zum Mittwoch um drei Uhr.
Trump kennen wir in Debatten – aber Harris?
Es ist das erste Mal, dass die Demokratin Harris Trump direkt gegenübersteht, und es ist erst der zweite nicht geskriptete Auftritt seit ihrer Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur. Spontane Reaktionen auf schwierige Themen gelten nicht als ihre Stärke. Doch Harris hat in den vergangenen Tagen in einem Hotel in Pittsburgh ein Debatten-Bootcamp durchlaufen. Laut „Washington Post“ inklusive eines Show-Fernsehstudios und eines Trump-Schauspielers, der sie mit heftigen Angriffen und Kommentaren unter der Gürtellinie überzog. Trump hingegen soll mit keinem solchen Setting geprobt haben. Er bestellte, wie auch letztes Mal, einen engen Kreis von Beratern ein, die ihm bei der Vorbereitung halfen.
Balanceakt für die Vizepräsidentin
Harris muss sich als Kandidatin für einen Neuanfang präsentieren, den viele Amerikaner sich wünschen, ohne Präsident Biden zu schaden. Trumps Team hat schon durscheinen lassen, dass er darauf zielen wird, die derzeitige Vizepräsidentin als „Fortsetzung der Biden-Regierung“ darzustellen. Das dürfte vor allem für die Themen Migration und Wirtschaft gelten. Doch Harris hat im Wahlkampf vorgebaut. Sie hat angesichts der angespannten Lage an der amerikanischen Südgrenze etwa zugesagt, die von Trump Anfang des Jahres verhinderte Einwanderungsreform zu unterstützen. Trump hatte republikanische Abgeordnete mit Erfolg dazu gedrängt, gegen die Reform zu stimmen. Der Gesetzentwurf sah vor, Asylanträge zu erschweren und die Inhaftierungskapazitäten für Migranten auszubauen. In Bezug auf die Wirtschaft haben sowohl Harris als auch Trump weitreichende Steuersenkungen für die Mittelschicht versprochen, jedoch noch nicht dargelegt, wie diese finanziert würden.
Und was sind Trumps größte Schwächen?
Trumps größte Herausforderung ist es, sich im Ton zu mäßigen. Er hat seine politische Gegnerin mehrfach für ihr Geschlecht und ihre Herkunft angegriffen – ein Schritt, der bei für den Wahlsieg nötigen Wechselwählern nicht gut ankommt. Nach der Debatte gegen Biden profitierte der Republikaner davon, dass seine inhaltlichen Aussagen angesichts der Frage über Bidens politische Zukunft schnell aus dem Blickfeld gerieten. Das wird diesmal anders sein. Harris dürfte Falschinformationen Trumps schon auf der Bühne offenlegen.
US-Wahl 2024
Harris oder Trump – wer führt in den Umfragen?
Besonders angreifbar ist er beim Thema Abtreibung. Harris und ihre Vizepräsidentenkandidat Tim Walz haben eine Wahlkampftour zum Recht auf Schwangerschaftsabbrüche angekündigt – Trump hingegen bleibt bei dem Thema möglichst vage. Jüngst kritisierte er ein Abtreibungsverbot nach sechs Wochen in Florida als zu streng, sprach sich dann jedoch gegen eine Volksabstimmung aus, die ein Abtreibungsrecht bis zur Lebensfähigkeit des Fötus in der Verfassung des Bundesstaates festlegte. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner für ein grundsätzliches Recht auf Abtreibungen ist – vor allem Frauen, eine Wählergruppe, bei der Trump weniger beliebt ist. Außerdem dürfte Harris Trumps rechtliche Probleme hervorheben: Mit ihr steht eine Staatsanwältin einem verurteilten Verbrecher gegenüber.
Wie ist die Stimmung vor dem Showdown?
Es ist sieben Wochen her, dass Kamala Harris ihre Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur bekanntgegeben hat, und die Begeisterung über die neue Dynamik im Wahlkampf ist seither nicht abgerissen. Aktuelle Umfragen sagen bundesweit sowie in den wahlentscheidenden Swing States ein knappes Rennen zwischen Harris und Trump voraus. Umso mehr ist die Frage, ob der Demokratin in der Debatte ein Patzer unterläuft, der die Erfolgssträhne beenden könnte. In drei Wochen dann, am 1. Oktober, werden die „running mates“ der beiden Kandidaten, Tim Walz und J.D. Vance, in einer Fernsehdebatte gegeneinander antreten.