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Bausoldaten in Thüringen: Eine kritische Betrachtung der Verweigerung des Wehrdienstes in der DDR

Erfurt. Die DDR war das einzige Land im Ostblock, das einen Wehrersatzdienst zuließ. Trotzdem galten die Soldaten mit dem Spaten auf dem Schulterstück als Staatsfeinde. Einige ehemalige Bausoldaten tauschen gerade ihre Erinnerungen aus.

Die Einführung der Wehrpflicht in der DDR im Jahr 1962 stellte die Regierung vor einige Herausforderungen. Selbst Stasichef Erich Mielke wies intern darauf hin, dass es für die Menschen kompliziert sei, dass sie das Recht auf Wehrdienstverweigerung in Westdeutschland forderten, aber gleichzeitig ihre Bürger zur Ableistung des Ehrendienstes in der NVA verpflichteten. Tatsächlich gab es viele westdeutsche Männer, die in die DDR übergesiedelt waren, um dem Militärdienst in der Bundeswehr zu entgehen, nur um dann in der DDR ebenfalls zum Wehrdienst herangezogen zu werden. Eine zivile Wehrersatzdienst oder das Recht auf Wehrdienstverweigerung existierte im Arbeiter- und Bauernstaat nicht. Anfangs waren Ausnahmen von der Wehrpflicht nicht vorgesehen.

Zwei Jahre später wurde das Bausoldaten-Gesetz erlassen, das formal eine waffenlose Alternative zum regulären Wehrdienst darstellte. Die Westpresse kommentierte dies als eine der bemerkenswertesten Schwankungen des Zonenregimes. Bausoldaten genossen jedoch einen niedrigen sozialen Status und wurden oft als Staatsfeinde betrachtet. Bei Befehlsverweigerung drohte Gefängnis, und sie waren Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt.

Gottfried Arlt, Jahrgang 1940, war einer der ersten Bausoldaten und erzählt von seinen Erfahrungen. Als studierter Theologe und späterer evangelischer Pfarrer wurde er 1964 zur Ableistung des Bausoldatendienstes eingezogen. Der Beiname „Spatensoldaten“ kam vom goldenen Spaten auf dem Schulterstück, der anfangs sogar als besonderes Rangabzeichen angesehen wurde. Arlt weigerte sich jedoch, am Bau eines Panzerübungsplatzes mitzuwirken, was zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe führte. Auch Rainer Eppelmann, letzter Verteidigungsminister der DDR, musste wegen der Verweigerung des Gelöbnisses ins Gefängnis.

Die Entscheidung, Bausoldat zu werden, war für viele eine Art fauler Kompromiss. Obwohl die Möglichkeit zum waffenlosen Wehrdienst existierte, wurden Bausoldaten dennoch oft für Arbeiten in militärischen Einrichtungen eingesetzt, was Gewissenskonflikte auslöste. Für Arlt war es jedoch ein Kampf um Freiheit und die Ablehnung des ideologischen Allmachtsanspruchs des Staates. Auch Ex-Bausoldat Wolfgang Stadthaus betont die Bedeutung der Gewissensentscheidung.

In den 1960er Jahren gab es eine deutliche Konfliktlinie zwischen christlichem Widerstand und repressiven Maßnahmen in der DDR. Die Gesellschaft war militarisiert, obwohl die DDR sich als „Friedensstaat“ bezeichnete. Der Dienst als Bausoldat bot eine gewisse Alternative, jedoch war die SED-Führung darum bemüht, diese Möglichkeit nicht öffentlich bekannt zu machen.

In den 1980er Jahren hatte sich der Dienst als Bausoldat weitgehend etabliert, und die Zahl der neu gezogenen Bausoldaten stieg kontinuierlich an. Wie Arlt und Stadthaus berieten auch andere ehemalige Bausoldaten junge Menschen, die vor ähnlichen Entscheidungen standen. Unterstützt von den Kirchen wurden ihre Erfahrungen weitergegeben.

Die Geschichte der Bausoldaten in der DDR ist geprägt von individuellem Mut, Gewissensentscheidungen und dem Widerstand gegen staatliche Zwänge. Trotz der Herausforderungen und Repressionen haben viele Bausoldaten ihren Weg gefunden und sind heute wichtige Zeitzeugen für eine Zeit, die geprägt war von politischer Unterdrückung und ideologischem Druck.