Als frischgebackener Journalist stehe ich vor der Aufgabe, einen Artikel über den Streit um die Antisemitismus-Definition von RIAS zu schreiben. Die Nichtregierungsorganisation, die sich der Bekämpfung von Antisemitismus verschrieben hat, sieht sich nun mit scharfer Kritik konfrontiert, die ihr mangelnde Transparenz und diffuse Begrifflichkeiten vorwirft.
Wer sind die Akteure in diesem Konflikt? Da haben wir zum einen den Historiker Moshe Zimmermann, der am Holocaust-Gedenktag im Januar 2020 im Landtag in Magdeburg eine Rede hielt. Zimmermann, selbst Kind jüdischer Deutscher, die vor den Nazis geflohen waren, war Mitglied der Historikerkommission, die die NS-Geschichte des Auswärtigen Amts erforschte. In seiner Rede reflektierte er den Aufstieg des Nationalsozialismus und appellierte an das Prinzip „Nie wieder“, das nicht nur für Deutschland, sondern auch für Israel gelten sollte.
Auf der anderen Seite steht RIAS, eine 2015 gegründete Nichtregierungsorganisation, die sich als anerkannte Institution in Deutschland etabliert hat. RIAS veröffentlicht jährlich Zahlen zum Thema Antisemitismus, die von Medien und Politikern als verlässliche Quelle herangezogen werden. Doch nun kommt Kritik auf, angeführt vom israelischen Journalisten Itay Mashiach, der eine 60-seitige Studie verfasst hat. Diese kritisiert die Intransparenz von RIAS und bemängelt, dass die Organisation den israelbezogenen Antisemitismus überbetont und rechtsextreme Aktivitäten unterschätzt.
Was genau sind die Vorwürfe gegen RIAS? Laut der Studie von Mashiach arbeitet RIAS mit diffusen Begrifflichkeiten und klassifiziert Vorfälle als antisemitisch, ohne den Kontext zu berücksichtigen. So wurden beispielsweise Theaterstücke wie „Ein Bericht für eine Akademie“ und „Die Vögel“ als antisemitisch eingestuft, obwohl die Kritik darin nicht eindeutig auf Juden abzielte. Diese weit gefasste Definition von Antisemitismus sorgt für Unmut und wirft Fragen zur Objektivität von RIAS auf.
Die Kritik an RIAS kommt also nicht von ungefähr. Die Organisation wird beschuldigt, die Grenzen zwischen Antisemitismusbekämpfung und politischer Einflussnahme zu verwischen. Die Studie von Mashiach legt nahe, dass RIAS die IHRA-Definition von Antisemitismus zu strikt auslegt und Kritik an der israelischen Regierung pauschal als antisemitisch abwehrt. Diese Vorwürfe werfen ein neues Licht auf die Arbeit von RIAS und fordern eine genauere Überprüfung ihrer Methoden.
Insgesamt zeigt sich, dass der Streit um die Antisemitismus-Definition von RIAS tiefer geht als gedacht. Die Organisation steht vor der Herausforderung, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und transparenter zu agieren. Ob und wie RIAS auf die Kritik reagieren wird, bleibt abzuwarten. Es scheint, als ob die Debatte um Antisemitismus in Deutschland und Israel noch lange nicht vorbei ist.