Nachdem Bill Clinton prägnant analysiert hat, was Wahlen beeinflusst – „It’s the economy, stupid!“ – könnte die kommende Bundestagswahl entschieden sein. Die deutsche Wirtschaft stagniert und es gibt bisher keine Anzeichen für eine Erholung im nächsten Jahr. Trotzdem der Arbeitsmarkt bis vor Kurzem robust schien, häufen sich nun Nachrichten über geplante Entlassungen von Mitarbeitern. In internationalen Wirtschaftsrankings ist Deutschland weit zurückgefallen; der IWF platziert Deutschland unter 41 fortgeschrittenen Volkswirtschaften in Bezug auf die Wachstumsdynamik auf Rang 39. Der Standort Deutschland hat an Attraktivität verloren, vor allem aufgrund hoher Energiekosten, Unsicherheiten über die Energiepolitik, Regulierung und Bürokratie, Arbeitskräftemangel, unzureichende Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Hinzu kommen weltweiter Protektionismus und geopolitische Spannungen, die die deutsche Wirtschaft härter treffen als andere Volkswirtschaften.
Die Bevölkerung sieht in diesen Entwicklungen keine kurzfristige konjunkturelle Schwächephase. 61 Prozent sind überzeugt, dass Deutschland nicht einfach eine normale wirtschaftliche Schwächephase durchläuft, sondern einem tiefgreifenden Umbruch gegenübersteht, der ganze Industriezweige bedroht. Gleichzeitig messen 96 Prozent einer starken Industrie große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung bei, 71 Prozent sogar sehr große Bedeutung. Die Bevölkerung hält die These, dass eine Schwächung des industriellen Sektors kein großes Problem sei, da andere Branchen einspringen könnten, für nicht überzeugend.
Die Mehrheit ist sich bewusst, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland an Attraktivität verloren hat. Gründe dafür sind die Energiekosten, übermäßige Bürokratie, lange Genehmigungsverfahren, Arbeitskräftemangel, Rückstand bei der Digitalisierung, hohe Unternehmenssteuern und sanierungsbedürftige Infrastruktur. Trotzdem die Bevölkerung die Lage der Wirtschaft und die Perspektiven pessimistisch einschätzt, ist die persönliche Betroffenheit von den wirtschaftlichen Problemen gering.
Die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer und die Absicherung gegen Armut werden positiver bewertet. Die Mehrheit hofft auf eine positive Auswirkung durch einen Regierungswechsel. Obwohl die ökonomischen Probleme die große Mehrheit nicht persönlich erreichen, ist das Vertrauen in die Politik, die die Wirtschaft ankurbeln kann, hoch. Die Bevölkerung hält die Anstrengungen der amtierenden Regierung jedoch für unzureichend und fordert eine stärkere Förderung der Wirtschaft.
Trotz der ökonomischen Probleme wird die Wahl nicht nur von Wirtschaftsthemen entschieden werden, sondern auch von Themen wie Migration, innere Sicherheit, militärische Auseinandersetzungen, Inflation, Energieversorgung und stabilen politischen Verhältnissen. Die Mehrheit erwartet einen Wahlsieg von CDU/CSU und hofft, dass ein Regierungswechsel die Wirtschaft stimulieren wird.