Russifizierung oder Abwanderung in besetzten ukrainischen Gebieten

In den Verhandlungen mit Washington drängt Wladimir Putin darauf, dass seine bisherigen Annexionen ukrainischer Gebiete offiziell anerkannt werden. Obwohl Russlands Präsident diese Gebiete trotz schwerwiegender militärischer Anstrengungen nur teilweise kontrolliert, treibt er in den von ihm kontrollierten Regionen die sogenannte Säuberung voran. Er zwingt Ukrainer, die noch in den besetzten und völkerrechtswidrig von Moskau beanspruchten Gebieten leben und keine russische Staatsangehörigkeit angenommen haben, formal zu Russen zu werden. Andernfalls drohen sie, ihre Heimat zu verlieren.

Ein Erlass des Kremls, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, besagt, dass Ukrainer, die sich ohne von den Invasoren anerkannte Rechtsgrundlage „in der Russischen Föderation“ aufhalten, bis zum 10. September dieses Jahres „selbständig zu verlassen“ oder „ihren Rechtsstatus zu regulieren“ haben. Dies betrifft insbesondere Ukrainer ohne russischen Aufenthaltstitel in den besetzten Teilen der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk sowie der südukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja, die im Herbst 2022 von Moskau angeschlossen wurden.

Putin erhöht den Druck auf Bewohner der vier 2022 annektierten Gebiete ohne russische Staatsangehörigkeit, indem er sie dazu verpflichtet, sich bis zum 10. Juni medizinischen Tests auf Infektionskrankheiten wie HIV und Rauschgiftkonsum zu unterziehen. Bereits im Jahr 2022 hatte Putin allen Ukrainern die Möglichkeit geboten, die russische Staatsangehörigkeit in einem „vereinfachten Verfahren“ zu erhalten. Dies spiegelt seine Überzeugung wider, dass Ukrainer „kleine“ Russen seien, die „befreit“ und umgekrempelt werden müssten.

Die Repressionen gegen Ukrainer in den besetzten Gebieten seit 2014 sind gut dokumentiert. Die Annexion der Krim, die sich vor kurzem zum dreizehnten Mal jährte, dient als Beispiel für russische Unterdrückung. Renommierte Journalisten wie Natalya Gumenyuk haben die Repressionen auf der Krim dokumentiert. Sie berichtet von begrenztem Zugang zu medizinischer Hilfe und Arbeit, Zusatzsteuern, Enteignungen, Festnahmen aus fadenscheinigen Gründen und einer zunehmenden Militarisierung der Halbinsel.

Die sogenannte Junge Armee wurde gegründet, um die Jugend zu indoktrinieren und auf den Militärdienst vorzubereiten. Inzwischen dient sie auch der Umerziehung von nach Russland entführten ukrainischen Kindern. Mit dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2022 wurden Ukrainer in den zuvor annektierten Gebieten mobilisiert, was gegen das Völkerrecht verstößt. In den danach von Russland eroberten Gebieten wurden ähnliche Methoden wie auf der Krim angewendet.

Es gibt zahlreiche Zeugen, die von den Gräueltaten in den russischen Foltergefängnissen berichten. Darüber hinaus wurden Kriegsverbrechen wie Vergewaltigungen und Erschießungen von Zivilisten dokumentiert. Die Menschen in den besetzten Gebieten sind von der russischen Propaganda abgeschnitten und dem Zuzug Zehntausender Russen ausgesetzt.

Die ukrainische Regierung schätzt, dass zwischen 2014 und 2022 mehr als 800.000 Russen auf die Krim gezogen sind, die mittlerweile mehr als ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Ähnliches ist in den besetzten Städten im Donbass zu beobachten. Die Bewohnerzahl in der zuvor fast komplett zerstörten Hafenstadt Mariupol ist nach Angaben der Ukraine seit der Eroberung durch russische Truppen stark angestiegen. Trotz elf Jahren Krieg sind viele Ukrainer skeptisch gegenüber den Verhandlungen zwischen Trump und Putin. Sie befürchten einen schlechten Deal und sehen die Kriegsverbrechen und Repressionen in den besetzten Gebieten als zentralen Teil der russischen Kriegsstrategie.

Die Ereignisse seit dem Kriegsbeginn in der Ostukraine haben gezeigt, dass Russland trotz Verhandlungen einen Großangriff vorbereitet hat. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in den besetzten ukrainischen Gebieten weiterentwickeln wird.