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Herbert Grönemeyer: Bodenständige Kauzigkeit als Markenzeichen in Bochum

Erfurt. Herbert Grönemeyers Kult-Album wird 40 Jahre später neu aufgelegt und wirft die Frage auf, ob man die Platte heute noch unbeschadet durchhören kann. Wie klingen die Neuaufnahmen?

Im Jahr 1984 wurde Herbert Grönemeyer erschaffen, wie wir ihn heute kennen: der grundsympathische Musiker-Kumpel aus dem Ruhrpott mit der intellektuell gefärbten, aber keineswegs abgehobenen Geradeaus-Schnauze, mit klarer politischer Haltung und dem hechelnden, röhrenden, schnoddrig-nuschelnden und eigenartig phrasierenden Gesangsstil. Die Initialzündung dieser Volkssängerwerdung war das Album „4680 Bochum“ – Grönemeyers fünfte Platte.

Grönemeyers Plattenfirma war zunächst nicht begeistert vom Albumtitel. Beinahe wäre es nicht dazu gekommen. Seine neue Plattenfirma EMI war alles andere als begeistert, als Grönemeyer den Kölner Label-Bossen den Titel seines neuen Albums präsentierte: Die (damalige) Postleitzahl und der Ortsname seiner Heimatstadt ließen die Manager an ihrem neuen Schützling zweifeln. Zu lokal, zu schlecht vermarktbar erschien der Titel. Grönemeyer musste Sprüche wie „Das kauft schon in Bottrop keiner“ ertragen, wie er in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung verriet.

Doch der Musiker setzte sich durch, auch wenn seine Verhandlungsposition schwach war. Er hatte sich bereits Meriten als Theatermusiker und Schauspieler („Das Boot“) verdient, seine vier Alben bei Intercord floppten und das Plattenlabel verlängerte seinen Vertrag nicht. Die EMI gab ihm und dem Albumtitel trotzdem eine Chance – und landete einen Volltreffer.

„Männer“ von Herbert Grönemeyer:
„4680 Bochum“ verkaufte bis heute rund drei Millionen Einheiten und gilt als eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Alben. Es wird als Klassiker und Kulturgut angesehen, das die deutsche Pop-Musik fern des Schlagers geprägt oder sogar miterfunden hat. Grönemeyer gelang es, seinen Stil, musikalisch und textlich, zu definieren. Er machte, wie Udo Lindenberg Jahre vor ihm, die bodenständige Kauzigkeit zum Markenzeichen. Unter den vielen Hits des Albums sind „Männer“, „Flugzeuge im Bauch“ und „Alkohol“ zu finden.

„Alkohol“ von Herbert Grönemeyer:
Auch „Mambo“, die Hymne aller frustrierten Parkplatzsucher, hat es ins kollektive Musikgedächtnis der Nation geschafft. Der Titelsong, die gar nicht mehr so heimliche Hymne aller Bochumer, die vor jedem Heimspiel des VfL Bochums gespielt wird, mit reichlich Lokalkolorit, die teils ins Schmalzige („Du Blume im Revier“) abdriftet, was die Liebeserklärung an die Bergarbeiterstadt aber selbst für Außenstehende sympathisch macht.

Grönemeyers Texte gehören zum deutschen Sprachschatz. Mit den Texten schuf Grönemeyer ein eigenes Kunstwerk, das bis heute seinen Status begründet. Auf dem Album singt er allgemeingültige Phrasen, die in den inoffiziellen deutschen Sprachgebrauch übergegangen sind wie sonst nur Bauernregeln oder Loriot-Witze. „4630 Bochum (40 Jahre Edition)“ von Herbert Grönemeyer kann als Doppel-CD bei verschiedenen Online-Shops bestellt werden.

Einige Lieder von „4630 Bochum“ scheinen unkaputtbar. Die EMI ging 1984 ins Risiko und stellte ihrem neuen Schützling keinen erfahrenen Produzenten zur Seite – Grönemeyer durfte das Album im Alleingang produzieren. Es bleibt klanglich in seiner Zeit verhaftet, mit typischen Elementen des 80er-Jahre-Sounds. Die bekannteren der zehn Lieder der Platte scheinen jedoch unkaputtbar und werden heute immer noch gehört und gespielt, auf Kirmesfeiern, runden Geburtstagen, Firmenfesten – und live.

Zum 40. Jahrestag geht Herbert Grönemeyer mit dem Album wieder auf Tournee und veröffentlicht die Platte erneut. Er lässt die Songs von fünf namhaften deutschen Toningenieuren abmischen und legt Neu-Interpretationen von der Hälfte der Songs vor. Dies könnte neuen Generationen den Zugang zum Werk Grönemeyers eröffnen.