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Die Erfolgsgeschichte von Giant Bikes: Vom kleinen Hersteller zum Weltmarktführer

Hersteller Giant Fahrräder für die Welt aus Taiwan

Nicht nur bei Halbleitern ist Taiwan führend. Der taiwanische Fahrradhersteller Giant produziert alleine mehr als die gesamte deutsche Zweiradbranche. Kathrin Erdmann hat die Firmenchefin Bonnie Tu getroffen.

Wie Fahrradrahmen sind die Paneele an der Außenwand aus Aluminium, eine Art Rennbahn führt zum Parkplatz in den dritten Stock. Die Firmenzentrale des taiwanischen Fahrradherstellers Giant sticht im Wissenschaftspark von Taichung heraus. Gebaut hat das lichtdurchflutete Gebäude der Stararchitekt Ji Pan.

Ganz oben hat Bonnie Tu ihr Büro. Die 74-jährige Chefin kommt zum Interview im lilafarbenen Radleroutfit. Sie sei morgens bei einer Beerdigung gewesen, und es sei so heiß, da habe sie sich etwas Bequemes, Luftiges anziehen wollen, sagt sie lachend.

Eine taiwanische Erfolgsgeschichte

Angefangen hat Giant in den 1970er-Jahren als Auftragsfertiger, die Marke existiert seit 1981 und ist eine taiwanische Erfolgsgeschichte. „Uns war die Qualität immer das Wichtigste, und wir haben sehr viel Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt“, so die Firmenchefin.

Radfahren sollte Spaß machen – dieses Versprechen habe Giant groß gemacht, sagt Tu. Sie ist die Nichte von Firmengründer King Liu, war lange Finanzvorständin und steht seit 2016 an der Spitze.

Giant gehört zu den weltweit größten Fahrradherstellern. Das Unternehmen allein produziert mehr Fahrräder als die gesamte deutsche Branche, berichtet Germany Trade & Invest (GTAI), die Außenwirtschaftsagentur für Deutschland, in einer Analyse aus diesem Jahr.

Das Unternehmen entwirft seine Räder – im eigenen Haus finden dann allerdings nur Rahmenbau und Endmontage statt. Die Komponenten stammen überwiegend von Zulieferern in Taiwan, China, Japan und Europa. „Ein Giant-Fahrrad besteht aus 1000 Einzelteilen“, erklärt Tu.

Dichtes Netz an Zulieferern vor Ort

Es sei Teil des Erfolges, Zulieferer im direkten Umfeld zu haben, sagt die Giant-Chefin. Dem stimmt Jürgen Maurer zu, der sich in Taipeh um die deutsche Außenwirtschaft kümmert. Schon seit den 1970er-Jahren existiert die „Clusterpolitik“, aus seiner Sicht kommen eine hohe Flexibilität und Kreativität sowie ein starker politischer und wirtschaftlicher Druck hinzu.

Rund um die zentraltaiwanische Stadt Taichung haben sich etwa 900 Hersteller von Fahrradkomponenten angesiedelt, die neben Giant mit der zweiten großen Marke Merida zusammenarbeiten. Insgesamt beschäftigt die Branche etwa 32.000 Menschen.

Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern ist in der Fahrradbranche unter anderem weltweit führend bei Lenkern, Pedalen, Tretlagern und Felgen.

Langsame Entkopplung von China

Früher hat Giant vor allem in China produziert, heute gibt es auch Werke in den Niederlanden, Ungarn und Vietnam. „Wir waren uns 2017 bewusst, dass wir nicht alles auf eine Karte setzen sollten und haben unser Engagement in China zurückgefahren“, sagt Chefin Bonnie Tu.

Diese Entkopplung vom großen Nachbarn fiel zusammen mit dem Wahlsieg der demokratischen Fortschrittspartei. Seitdem sie an der Macht ist, haben sich die Beziehungen zur Volksrepublik merklich verschlechtert.

Mehr E-Bikes, mehr Kundinnen

Die Zukunft des Fahrradmarktes geht aus Sicht der 74-Jährigen in mehrere Richtungen. Erstens werde die Nachfrage nach E-Bikes zunehmen. In den kommenden fünf Jahren werde der Anteil von Elektrorädern am Umsatz 40 bis 50 Prozent erreichen, schätzt das Unternehmen. In diesem Geschäft waren im vergangenen Jahr die Niederlande der größte Abnehmer für Räder aus Taiwan – gefolgt von Deutschland.

Bei Giant hat Bonnie Tu mit ihrem Amtsantritt zudem einen neuen Markt ins Visier genommen und die Marke Liv für Frauen aufgebaut. Dafür benötigte sie einen langen Atem. „Ich habe fast drei Jahre gebraucht, um die Hersteller zu überzeugen, dass Gangschaltungen und Bremshebel für Frauen anders gestaltet werden müssen, weil sie in der Regel kleinere Hände haben.“

Mit der Fahrradpolitik ihrer Regierung ist Bonnie Tu nicht besonders zufrieden. Die Giant-Chefin wünscht sich Leasingangebote wie in Deutschland, damit mehr Menschen aufs Rad umsteigen. Immerhin hat der Konzern in Taiwan eines schon geschafft: Den Aufbau eines Fahrradverleihsystems.

Die Bedeutung von Innovation und Qualität

Giant hat sich seinen Platz an der Spitze der Fahrradbranche durch eine konsequente Ausrichtung auf Innovation und Qualität verdient. Seit den Anfängen als Auftragsfertiger in den 1970er-Jahren hat das Unternehmen kontinuierlich in Forschung und Entwicklung investiert, um stets die neuesten Technologien und Materialien in seinen Produkten zu integrieren.

Die Firmenchefin Bonnie Tu betont immer wieder, dass für Giant die Qualität der Fahrräder oberste Priorität hat. Dies spiegelt sich nicht nur in der hochwertigen Verarbeitung der Räder wider, sondern auch in der Auswahl der Zulieferer und der strengen Qualitätskontrollen, die während des gesamten Produktionsprozesses durchgeführt werden.

Ein wichtiger Aspekt, der zum Erfolg von Giant beigetragen hat, ist auch die enge Zusammenarbeit mit Zulieferern vor Ort. Durch das dichte Netzwerk an Herstellern von Fahrradkomponenten in der Region um Taichung kann das Unternehmen schnell und flexibel auf Veränderungen im Markt reagieren und innovative Lösungen entwickeln.

Die Entscheidung, sich von China zu entkoppeln und die Produktion in andere Länder zu verlagern, war ein strategischer Schachzug von Giant. Durch die Erweiterung des Produktionsnetzwerks konnte das Unternehmen Risiken diversifizieren und gleichzeitig seine globale Präsenz stärken.

Die Zukunft des Fahrradmarktes

Die steigende Nachfrage nach E-Bikes ist ein wichtiger Trend, den Giant aktiv verfolgt. Mit innovativen Designs und leistungsstarken Elektromotoren hat das Unternehmen bereits eine starke Position in diesem Segment aufgebaut und plant, in den nächsten Jahren weiter zu wachsen.

Das Engagement für Frauen im Fahrradmarkt ist ein weiterer Schwerpunkt von Giant. Mit der Marke Liv hat das Unternehmen gezielt Produkte entwickelt, die den spezifischen Bedürfnissen von weiblichen Radfahrern gerecht werden. Durch die Berücksichtigung von ergonomischen Aspekten und Designmerkmalen hat Giant eine neue Zielgruppe erschlossen und seinen Marktanteil erweitert.

Die Bedeutung der Fahrradpolitik

Die Rolle der Regierung in der Förderung des Fahrradverkehrs wird von Bonnie Tu kritisch betrachtet. Während in Ländern wie Deutschland Leasingangebote und andere Anreize für den Radverkehr existieren, fehlt es in Taiwan noch an entsprechenden Maßnahmen. Die Giant-Chefin plädiert dafür, dass die Regierung mehr Initiativen ergreift, um den Umstieg auf das Fahrrad zu erleichtern und die Umwelt zu schützen.

Der Erfolg von Giant ist eng mit der Innovationskraft und der Qualität seiner Produkte verbunden. Durch eine konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Fahrradtechnologie hat das Unternehmen seinen Platz als Weltmarktführer festigen können.

Die enge Zusammenarbeit mit Zulieferern vor Ort und die Diversifizierung der Produktionsstandorte haben es Giant ermöglicht, flexibel auf Veränderungen im Markt zu reagieren und seine Wettbewerbsposition zu stärken. Mit einem klaren Fokus auf Innovation, Qualität und Kundenzufriedenheit wird Giant auch in Zukunft eine führende Rolle in der Fahrradbranche einnehmen.