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Nur etwas mehr als fünf Jahre ist es her, dass sich Elon Musk in Shanghai mit einem außerhalb Chinas weitgehend unbekannten Politiker traf. Es ging um die Gigafactory von Tesla, die Musk damals vor den Toren der Metropole baute. Chinas eigene Automarken spielten noch keine Rolle. Tesla sollte die Elektroautos in der Volksrepublik populär machen. Li Qiang, damals Parteisekretär und damit oberster Politiker Shanghais, sparte nicht mit Subventionen.

Vor den Präsidentschaftswahlen in den USA an diesem Dienstag zerbrechen sich viele den Kopf über die Frage, ob China Donald Trump oder Kamal Harris bevorzugt. Aus weltwirtschaftlicher Sicht geht es um sehr viel: Schreitet die Blockbildung voran? Muss sich Europa neu positionieren? Bringen viel höhere Zölle die Weltwirtschaft noch stärker ins Wanken? Werden die Tech-Sanktionen verschärft? Und was wird aus der Chip-Insel Taiwan?

Doch wie immer in der Weltpolitik geht es auch um Personen und Beziehungen. Seit diesem Treffen von Musk und Li ist viel passiert. Die beiden sind zu entscheidenden Akteuren der Weltpolitik geworden. Musk, damals noch Unterstützer der Demokraten, macht jetzt Wahlkampf mit Trump. Li wurde, nachdem er dem Druck von Präsident Xi Jinping nachgegeben und die Shanghaier monatelang in einem Lockdown eingesperrt hatte, zum Ministerpräsidenten befördert.

„China ist für Trump“
Musk hat China und China hat Musk manches zu verdanken. China ist einer der wichtigsten Märkte für Tesla und Musk lobt die Fabrik in Shanghai, wo er nur kann. Tesla hat die Elektroautos in der Volksrepublik populär gemacht und damit den Aufstieg zur Automacht geebnet. Bevorzugt China wegen dieser Beziehung zu Musk Trump? Chinas Regierung hat keinen Favoriten – nach den Aussagen von Vertretern der regierungsnahen Denkfabriken in Peking, die die Blackbox Kommunistische Partei für die Außenwelt ein bisschen verständlicher machen sollen. Beide würden weiter auf Konfrontation setzen, meinen sie. Unterschiede gäbe es nur in der Taktik, nicht in der strategischen Ausrichtung.

Nicht wenige Leute zweifeln an dieser Darstellung. „China wäre Trump lieber“, heißt es von chinesischen Beobachtern in Shanghai hinter vorgehaltener Hand. Sie verweisen auf Gespräche mit Beamten, Parteikadern, Bänkern und Geschäftsleuten in Peking, Shanghai und der Wirtschaftshochburg Guangdong in Südchina. Niemand sei für Harris. Und Alicia Garcia-Herrero, Asien-Pazifik-Chefökonomin der französischen Investmentbank Natixis, ist sich sicher: „China ist für Trump“.

„Unter den politischen Entscheidungsträgern in China kenne ich niemanden, der Harris bevorzugt“, sagt Han Lin, China-Direktor der Asia Group, einer Strategieberatung aus Washington. Der US-Amerikaner lebt in Shanghai und hat mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in China. Warum sich Peking neutral gibt, ist für ihn auch klar: „China möchte nicht mit Wahleinmischungen in Verbindung gebracht werden und hat daher offiziell keine Position.“

Der Faktor Tesla
Die Gründe, die für Trump sprechen, sind vielfältig. Teslas China-Geschäft, das einer dieser Druckpunkte werden könnte, die die Volksrepublik wie kaum eine Regierung sonst zu nutzen weiß, ist davon nur einer. Trotz des Zollkrieges, den Trump in seiner ersten Amtszeit anzettelte, bevorzuge China inzwischen Trumps Handelspolitik, argumentieren die Fachleute. Die Zölle hätten nicht gewirkt. Chinas Exporte boomen weiter und die USA sind weiterhin der größte Importeur der Welt.

Für wirksamer halten viele, zumindest kurzfristig, die zielgerichteteren Tech-Sanktionen unter dem amtierenden Präsidenten Joe Biden, die eine Präsidentin Harris vermutlich fortsetzen würde. „Trumps Zölle haben viel mehr Schlupflöcher gelassen als Bidens Maßnahmen“, sagt Ökonomin Garcia-Herrero. Die Tech-Sanktionen „treffen den Kern des künftigen chinesischen Wirtschaftswachstums“, sagt Yun Sun, Direktorin des China-Programms des Stimson Centers in Washington. Mit höheren Zöllen unter Trump würde der Kuchen der Weltwirtschaft zwar kleiner, glaubt Lin von der Asia Group. „Aber China könnte sich davon einen größeren Teil sichern.“

Einen weiteren Grund für Chinas Trump-Präferenz sehen manche in Europa. Die Spannungen, die zwischen Washington und Brüssel zu erwarten sind, eröffnen Chancen für Peking. So wenig das wirtschaftlich angeschlagene China geneigt ist, zwei Handelskriege mit den USA und Europa gleichzeitig zu führen, so sehr könnte das auch für das wirtschaftlich angeschlagene Europa gelten. Ein weniger offener US-Markt kann Chinas Exportwirtschaft verkraften. Doch wenn Europa sich auch abschottet, wird es enger.

„Trump würde Taiwan für einen Deal verkaufen“
Und dann ist da noch Taiwan. Für Ökonomin Garcia-Herrero, die in Taiwan lebt, ist das der Hauptgrund, warum Peking aus ihrer Sicht Trump bevorzugt. „Trump würde Taiwan für einen Deal verkaufen“, glaubt sie. Die Verantwortlichen in Peking „wissen, dass sie ein kleines Zeitfenster haben. Taiwan driftet von China ab. Trump kann den Schlüssel geben, bevor es zu spät ist“, sagt sie.

Doch nicht alle stimmen der Einschätzung zu, dass Trump Chinas Favorit ist. Cameron Johnson lebt seit Jahrzehnten in der Volksrepublik und ist Partner der Beratung Tidal Wave Solutions in Shanghai. Auch er weiß von Gesprächen mit Regierungsvertretern zu berichten. Die bevorzugten Harris. Ein Handelsbeamter habe etwa vor den höheren Zöllen gewarnt. Trump bringe aber vor allem mehr Unsicherheit, sagt Johnson. „China will wegen der eigenen Wirtschaftslage nicht noch mehr Instabilität.“ Harris sei ein Skalpell, Trump ein Vorschlaghammer.

In der Bevölkerung scheint das Trump-Lager auf größere Sympathie zu stoßen. Der autoritäre Politikstil und die Projektion von Stärke verfangen. Bücher zu oder von Musk und Trump liegen in den Buchhandlungen unter den Bestsellern. Auch in einer Bar in Shanghai glauben die meisten, die Chinesen würden Trump unterstützen. Ein Student sagt angesichts der Zensur in den Sozialen Medien der Volksrepublik: „99 Prozent der Chinesen sind politisch isoliert.“ Der Rest rede in einer Blase auf Twitter mit sich selbst. Er glaubt, dass die Unterstützung der Sängerin Beyonce den Ausschlag für Harris geben wird.

Ein anderer Besucher, der in der Pharmabranche arbeitet und vielleicht Mitte 20 ist, stört sich an der Scheinheiligkeit der linken Elite in den USA. Und die Barkeeperin übt sich angesichts der Wirtschaftskrise in China in Resignation: „Was macht es denn schon aus, wer gewinnt? Wir können uns nicht mal selbst retten.“