EuGH prüft Italiens Albanien-Modell: Wer definiert, wo es sicher ist?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhandelt über das „Albanien-Modell“ der italienischen Regierung, das darauf abzielt, Asylverfahren zu beschleunigen. Diese innovative Methode sieht vor, dass die Behörden innerhalb von nur 28 Tagen über Asylanträge entscheiden, ohne dass die Geflüchteten Italien oder EU-Boden betreten. Stattdessen werden sie in Asyllagern in Albanien untergebracht, wo sie auf die Entscheidung warten.
Die Umsetzung dieses Modells beginnt bereits auf dem Mittelmeer, wo italienische Grenzschützer die Geflüchteten abfangen und auf dem Schiff prüfen, wer für das Schnellverfahren in Frage kommt. Dieses Verfahren ist jedoch nur für diejenigen zulässig, die aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ stammen, die von Italien definiert werden. Hierbei werden insbesondere junge, gesunde Männer aus Ländern wie Bangladesch und Ägypten ausgewählt und in die Asyllager in Albanien gebracht, wo sie auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten.
Asylbewerber sind psychisch belastet
Die rechtspolitische Sprecherin der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL, Wiebke Judith, kritisiert dieses Vorgehen vehement, da es für die betroffenen Menschen eine enorme psychische Belastung darstellt. Sie fühlen sich ängstlich, verunsichert und desorientiert, wenn sie in Albanien ankommen und befürchten, inhaftiert und abgeschoben zu werden.
Ein Gericht in Rom entschied bereits, dass Bangladesch und Ägypten keine sicheren Herkunftsländer sind, was zu einer Klärung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) führte. Der EuGH muss nun festlegen, unter welchen Bedingungen Herkunftsländer als sicher eingestuft werden können und ob nationale Gerichte dies überprüfen können.
Rechtsanwalt Dario Belluccio, der einen der betroffenen Asylbewerber vertritt, betont die politische Dimension dieser Frage und betont die Notwendigkeit eines einheitlichen Asylsystems in Europa. Er kritisiert das Vorgehen der italienischen Regierung scharf und weist darauf hin, dass die Liste der als sicher eingestuften Herkunftsländer immer weiter ausgedehnt wird, obwohl einige dieser Länder bestimmte gefährdete Gruppen wie Homosexuelle beinhalten.
Deutschland sieht anders
Die deutsche Bundesregierung, vertreten durch Ralf Kanitz, äußert Bedenken bezüglich des italienischen Vorgehens und argumentiert, dass ein Staat nur dann als sicher eingestuft werden kann, wenn er für alle Personengruppen sicher ist, gemäß EU-Recht.
Trotz unterschiedlicher Meinungen innerhalb der EU und der EU-Kommission sowie einiger Länder wie Ungarn, die keine rechtlichen Bedenken haben, könnte ein negatives Urteil des EuGH das Ende des Albanien-Modells bedeuten. Allerdings warnt Wiebke Judith von PRO ASYL davor, dass die italienische Regierung möglicherweise versuchen könnte, die Zentren in Albanien für abgelehnte Asylbewerber zu nutzen.
Die Zukunft des „Albanien-Modells“
Das „Prestigeprojekt“ von Meloni, wie das Albanien-Modell beschrieben wird, könnte möglicherweise in Frage gestellt werden, je nachdem, wie der EuGH entscheidet. Ein endgültiges Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet, aber die Bedeutung dieser Verhandlung für die Zukunft von Asylverfahren in Europa ist von entscheidender Bedeutung.