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Israel gegen Hizbullah: Völkerrechtliche Konflikte im Nahen Osten

Es war eine neue Dimension von Krieg, als in dieser Woche erst Tausende Funkempfänger von Hizbullah-Mitgliedern mitten am Nachmittag explodierten und später weitere Funkgeräte. Die einen feierten den israelischen Geheimdienst, der offenkundig hinter der Aktion steht, für einen genialen Coup, der hochpräzise Tausende Kämpfer außer Gefecht gesetzt und das Kommunikationsnetz der Miliz schwer getroffen hatte. Für die anderen war es ein Akt von Staatsterror, da die Explosionen die Menschen mitten in ihrem Alltag in Beirut trafen und auch Unbeteiligte und Kinder getötet wurden. Der Streit darüber wird nicht nur auf der Ebene der Moral geführt. Auch Völkerrechtler sind sich uneins, wie diese neue Form des Krieges zu bewerten ist.

Vergleichsweise einfach zu beantworten ist die Frage, ob Israel die Hizbullah angreifen durfte. Grundsätzlich gilt im Völkerrecht das Gewaltverbot, aber seit die von Iran gesteuerte Schiitenmiliz am 8. Oktober der Hamas im Gazastreifen zur Seite sprang, führt sie einen offenen Krieg gegen Israel. Israel kann sich daher mit guten Argumenten auf sein Selbstverteidigungsrecht berufen, auch wenn in dem seit Jahrzehnten währenden Konflikt bisweilen verschwimmt, wer Angreifer und wer Verteidiger ist.

Eine verbotene Sprengfalle?

Unabhängig von der Frage, ob Israel die Hizbullah angreifen durfte (das ius ad bellum), ist mit Blick auf diese neue Form der Kriegsführung vor allem interessant, ob die Aktion so ausgeführt werden durfte (ius in bello). Das Problem stellt sich auf zwei Ebenen: Dürfen Kommunikationsmittel wie Pager überhaupt zu einer Waffe zweckentfremdet werden? Und ist es erlaubt, sie auf diese Art einzusetzen, per Fernzündung an Tausenden Orten gleichzeitig, ohne dass kontrolliert werden kann, wo genau die Explosionen stattfinden?

Relevant ist für den Einsatz der manipulierten Pager vor allem das Protokoll II zum UN-Waffenübereinkommen, das auch Israel ratifiziert hat. Darin wird unter anderem der Einsatz von Minen, Sprengfallen und vergleichbaren Vorrichtungen verboten. Allerdings dachten die Autoren des Protokolls offensichtlich noch nicht an eine Aktion dieser Machart. Keine der Definitionen in dem Abkommen passt auf ferngezündete Funkempfänger.

Denn Sprengfallen im Sinne des Protokolls sind harmlos aussehende Gegenstände, deren tödlicher Mechanismus in Gang gesetzt wird, wenn eine Person sie berührt oder sich nähert. Die Explosion der Pager wurde durch ein gezieltes Funksignal aus der Ferne gezündet. Ferngesteuerte „andere Vorrichtungen“ sind nach dem Protokoll verboten, wenn sie „handverlegt“ sind. Auch das trifft eher auf klassische Minen oder sonstige Sprengfallen zu, nicht aber auf manipulierte Kommunikationsgeräte.

Die Überreste eines explodierten Pagers

Am Ende ist es eine Frage der Auslegung. Seinem Sinn und Zweck nach will das Protokoll vor allem solche Sprengvorrichtungen verbieten, die irgendwo installiert werden und unbeteiligte Zivilisten besonders gefährden, weil der eigentliche Verleger nur noch begrenzten Einfluss auf die Zündung hat. Ob das auf Pager zutrifft, die fast ausschließlich im Besitz von Mitgliedern einer Miliz waren, ist schwer zu sagen. Der Waffenrechtsexperte William S. Boothby, der als einer der besten Kenner dieser Regularien gilt, kam in einem Blogbeitrag in dieser Woche zu dem (vorläufigen) Schluss, dass es sich um Sprengfallen handele.

Ein wahlloser Angriff?

Unabhängig von dem Problem, ob die manipulierten Pager als solche verboten sind, stellt sich aber die Frage, ob sie in dieser Art eingesetzt werden durften. Hier kommt das Unterscheidungsgebot zum Tragen, einer der zentralen Grundsätze des humanitären Völkerrechts. Es verlangt, militärische von zivilen Zielen zu trennen und Zivilisten nach Möglichkeit zu schützen. Zivile Opfer sind nicht per se ausgeschlossen. Sie dürfen aber nicht exzessiv sein in Abwägung mit dem militärischen Nutzen, der durch die Aktion erreicht werden soll.

Dass die manipulierten Pager gezielt an die Hizbullah verkauft wurden, damit die Miliz sie an ihre Kader verteilen konnte, spricht für einen zielgerichteten Angriff gegen legitime, militärische Ziele. Dass die Hizbullah-Mitglieder zum Teil nicht im Dienst waren, sich zu Hause oder beim Einkaufen befanden, spielt dabei erst mal keine Rolle. „Kämpfer sind während eines laufenden bewaffneten Konflikts völkerrechtlich auch dann legitime Ziele, wenn sie nicht im Kampfeinsatz sind“, sagt der Kölner Völkerrechtler Claus Kreß.

Der Angreifer hat aber auch die Pflicht, mögliche zivile Schäden abzuschätzen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Bei der simultanen Zündung von mindestens 3000 Pagern konnte Israel das jedoch unmöglich tun – niemand konnte wissen, wo genau alle Pager in diesem Moment waren. Deshalb wird die Aktion von einigen Völkerrechtlern als „wahlloser“ Angriff bewertet, der eindeutig rechtswidrig wäre.

Der Zeitpunkt mitten am Nachmittag spricht zudem nicht dafür, dass vor der Auslösung intensiv abgewogen wurde, wie sich zivile Opfer minimieren ließen. Auf der anderen Seite war der militärische Gesamtnutzen der Aktion ausgesprochen hoch, da offenbar mehrere Tausend Milizionäre kampfunfähig gemacht wurden und ein wichtiges Kommunikationsnetz zerstört wurde – und das ist für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit relevant.

Auch in dieser Hinsicht öffnet der Schlag völkerrechtlich eine neue Dimension. „Eigentlich müsste jeder Angriff für sich bewertet werden“, sagt Kreß. „Mit einer summarischen Abwägung der Verhältnismäßigkeit, in der aus den vielen Explosionen ein großer militärischer Angriff gemacht wird, befinden wir uns rechtlich auf unsicherem Terrain.“ Es bleibt also viel zu diskutieren.

Die geopolitische Bedeutung des Konflikts

Der Konflikt zwischen Israel und Hizbullah hat nicht nur völkerrechtliche Konsequenzen, sondern hat auch eine weitreichende geopolitische Bedeutung im Nahen Osten. Die Verwicklungen zwischen verschiedenen Akteuren wie Iran, Syrien und anderen regionalen Mächten tragen dazu bei, dass dieser Konflikt weit über die Grenzen des Libanons hinausreicht.

Iran, als wichtiger Unterstützer der Hizbullah, nutzt die Miliz als Instrument, um seinen Einfluss in der Region zu stärken und Israel herauszufordern. Dies führt zu einer Verkomplizierung der ohnehin angespannten Lage im Nahen Osten und könnte zu weiteren Eskalationen führen.

Israel wiederum sieht in der Hizbullah eine existenzielle Bedrohung und reagiert entsprechend aggressiv auf die Aktivitäten der Miliz. Die Sicherheit des Staates und seiner Bürger steht für Israel an erster Stelle, was zu einer harten Linie gegenüber der Hizbullah führt.

Die internationale Gemeinschaft beobachtet diesen Konflikt mit großer Sorge, da er das Potenzial hat, die Stabilität der gesamten Region zu gefährden. Eine Deeskalation und eine friedliche Lösung des Konflikts sind daher von entscheidender Bedeutung, um weitere Spannungen zu vermeiden.

Die Rolle der Vereinten Nationen

Die Vereinten Nationen spielen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Konflikten wie dem zwischen Israel und Hizbullah. Als internationale Organisation, die sich für den Frieden und die Sicherheit in der Welt einsetzt, bemühen sich die UN darum, eine friedliche Lösung für den Nahostkonflikt zu finden.

Durch Resolutionen und diplomatische Bemühungen versuchen die UN, die Parteien zu einem Dialog zu bewegen und eine politische Lösung zu erarbeiten. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spielt dabei eine zentrale Rolle, indem er über Maßnahmen zur Konfliktlösung entscheidet und die Umsetzung dieser Maßnahmen überwacht.

Die internationale Gemeinschaft fordert von Israel und der Hizbullah, sich an das Völkerrecht zu halten und zivile Opfer zu vermeiden. Die Einhaltung humanitärer Grundsätze und der Schutz von Zivilisten sind von entscheidender Bedeutung, um weitere Eskalationen zu verhindern und eine nachhaltige Friedenslösung zu erreichen.

Insgesamt ist der Konflikt zwischen Israel und Hizbullah ein komplexes geopolitisches Problem, das eine diplomatische Lösung erfordert. Die Einhaltung des Völkerrechts und die Achtung der Menschenrechte sind dabei unerlässlich, um eine nachhaltige Stabilität in der Region zu gewährleisten.