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Telegram-Gründer Durow: Empörung, Memes und Häme – Analyse und Reaktionen

Nach der Verhaftung des Telegram-Mitgründers Durow in Paris hat eine Welle der Kritik aus Russland eingesetzt. Politiker sprechen von Russenfeindlichkeit, während auf Social Media die Forderung nach seiner Freilassung laut wird. Doch nicht nur Empörung, sondern auch ein Hauch von Häme ist zu spüren.

Schwarzes Cap, schwarze Hose, schwarzer Pulli – darauf die weiße Aufschrift: „Ya Russkij“ („Ich bin Russe“): Popsänger Shaman, bekannt für seine kriegsverherrlichenden Texte und das Spiel mit Nazi-Symbolen, ist in den letzten zwei Jahren in Russland ein beliebter Gast auf großen Bühnen.

Auf seinem Telegram-Kanal spricht der Sänger den verhafteten Telegram-Mitgründer Pawel Durow liebevoll mit „Pascha“ an:

„Pascha, mein Lieber, frei und leicht atmet es sich nur in Russland. Komm zurück nach Hause. Hier wird immer an dich gedacht. Hier wirst du erwartet und geliebt.“

Verhaftung als Zeichen von Russenfeindlichkeit

In der Zwischenzeit gibt Ex-Präsident Dmitri Medwedjew auf seinem Telegram-Kanal sein Statement ab, diesmal mit Lateinkenntnissen: „Ubi bene ibi patria!“, schreibt er dort. Auf Deutsch übersetzt bedeutet dies: „Dort, wo es mir gut geht, da ist meine Heimat!“

Medwedew sieht in der Verhaftung Durows einen Akt von Russenfeindlichkeit:

„Er war der Meinung, dass seine größten Probleme in Russland lägen, also verließ er das Land. Er hat sich verkalkuliert. Für all unsere gemeinsamen Feinde ist er nur ein Russe – und damit unberechenbar und gefährlich. Von anderem Blut.“

Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, wirft der westlichen Welt im Umgang mit Durow Doppelmoral vor. Sie erinnert daran, wie 2018 eine Gruppe von 26 Nichtregierungsorganisationen – darunter Human Rights Watch, Amnesty International, Freedom House, Reporter ohne Grenzen und das Komitee zum Schutz von Journalisten – die Entscheidung eines russischen Gerichts verurteilt hatten, Telegram zu blockieren.

Gleichzeitig sei Durow die ganze Zeit auf freiem Fuß geblieben und habe Telegram weiterentwickelt. Mit Blick auf die NGOs fragt Sacharowa: „Glauben Sie, dass sie dieses Mal an Paris appellieren und die Freilassung Durows fordern werden – oder werden sie ihre Zunge verschlucken?“

„Auf Telegram gibt es eine Menge Content, der verboten ist“

Für manche war die Verhaftung Durows nur eine Frage der Zeit. Zum Beispiel für Wladimir Todorow, Chefredakteur des Online-Portals lenta.ru – eine der am häufigsten besuchten russischsprachigen Internetseiten.

„Wenn du dich als der Gründer eines der am stärksten verschlüsselten Messenger-Dienste positionierst, der keiner Geheimdienst der Welt zusammenarbeiten möchte, dann begibst du dich selbstverständlich in ein persönliches Risiko.“ Und gesagt werden müsse auch, dass es auf Telegram eine Menge verbotener Inhalte gebe.

Treffen mit Präsident Putin dementiert

Regierungssprecher Dmitri Peskow gibt sich gewohnt wortkarg. Bevor man etwas sage, solle man abwarten, was Durow zur Last gelegt wird: „Ohne diese Informationen wäre es falsch, irgendetwas mitzuteilen.“ Auf Nachfrage dementiert Peskow ein Treffen Durows mit Präsident Wladimir Putin in Aserbaidschan. Es gibt entsprechende Gerüchte, weil Durow vor seiner Verhaftung wie Putin in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku war.

Kurz nachdem die Verhaftung des Telegram-Gründers in Paris bekannt wurde, rief die Partei „Neue Menschen“ an der französischen Botschaft in Moskau zu einer Solidaritätsaktion auf. Vor dem Botschaftsgebäude steckten Teilnehmende kleine Papierflugzeuge ins Gebüsch. Die weißen Flieger sollen an das Icon des Messenger-Dienstes Telegram erinnern. Auch einige Tage nach der Verhaftung teilen User vereinzelt im Netz Fotos von weißen Papierfliegern.

Mit Memes und Flugblättern für die Freilassung

Weniger ernst reagierten Studierende in der südrussischen Stadt Woronesch. Sie klebten ein Plakat vor einem Modell des Eiffelturms, darauf die Aufschrift: „Macron! Wir halten Ihren Turm als Geisel, bringen Sie Durow zurück!“ Unterschrieben im Namen der „Russischen Feten-Organisation“. Auch Flugblätter mit dieser Aufschrift wurden in der Stadt verteilt.

Das Netz reagiert ebenfalls mit Humor. Zum Beispiel mit einem Poster zu einer vermeintlich neuen Netflix-Serie „Pawel in Paris“, angelehnt an die romantische Dramareihe „Emily in Paris“.

Dazu kommen Memes, wahlweise mit Minions oder unzähligen böse schauenden Robotern unter der Überschrift „Durows Kinder auf dem Weg, ihren Vater zu befreien“. Der Hintergrund: Durow hat nach eigener Aussage als Samenspender mehr als Hundert Kinder gezeugt.

Auch auf Durows Instagram-Seite wird fleißig kommentiert. Auf dem letzten Foto, das er gepostet hat, steigt Durow in ein Eisbad – durchtrainiert und nur in Badehose bekleidet. Der Kommentar einer Nutzerin wird hundertfach geliked: „Lasst ihn frei, er ist doch so schön.“