In der Türkei sind Kaiserschnittgeburten in privaten medizinischen Zentren künftig verboten. Dagegen regt sich Widerstand bei vielen Frauen. Sie fühlen sich bevormundet – und befürchten weitere Schritte der Regierung.
„Mein Körper – meine Entscheidung“ rufen Demonstrantinnen in Istanbul wenige Tage nach Bekanntwerden des teilweisen Verbots von Kaiserschnitten in der Türkei. Konkret geht es um Kaiserschnitte in sogenannten medizinischen Zentren. In der Regel verfügen diese Einrichtungen weder über eine Geburtenstation noch über die Möglichkeit, Patientinnen wenigstens stationär aufzunehmen.
Es gebe viel wichtigere Probleme, meint eine Rednerin. So müssten Frauen in Krankenhäusern zu lange auf Termine bei Gynäkologen warten und sie hätten keinen freien Zugang zu Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs. Statt darüber zu reden, wolle man ihnen nun vorschreiben, wie sie zu gebären hätten.
Die Gesundheitspolitikerin der oppositionellen CHP, Aylin Nazlıaka, stellt sich hinter sie. Im Sender Sözcü TV sagt sie: „Unter der AKP-Regierung werden die Frauenrechte von Tag zu Tag beschnitten. Heute kämpfen wir darum, die Rechte nicht zu verlieren, die uns gegeben wurden.“
Frauen befürchten, dass dem teilweisen Verbot von Kaiserschnittgeburten ein generelles folgt – und dann ein Verbot abzutreiben. Die AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan will die Geburtenrate steigern. Und Kaiserschnitte, so die Überzeugung, führten zu weniger Geburten. Türkei mit Spitzenplatz bei Kaiserschnittgeburten
Tatsächlich raten Mediziner von einer baldigen weiteren Schwangerschaft nach einem Kaiserschnitt ab. Richtig ist auch, dass die Türkei weltweit einen Spitzenplatz bei Kaiserschnittgeburten einnimmt. Sie machten zuletzt rund 60 Prozent aller Geburten aus. Die Weltgesundheitsorganisation hält nur rund zehn Prozent für medizinisch notwendig.
Auch nach Ansicht der Gynäkologin Gizem Karadeniz gibt es in der Türkei zu viele Kaiserschnittgeburten. Das sei aber eine Folge verfehlter Politik, meint sie im Sender Habertürk: „Ich finde, unser Land macht den Fehler, die Frauen nicht ausreichend aufzuklären.“
Regierung startete Kampagne für vaginale Geburten
In ihrer Praxis höre sie als Grund werdender Mütter, warum sie einen Kaiserschnitt wünschten, immer wieder Angst vor einer vaginalen Geburt. Statt Aufklärung startete die Regierung zuletzt jedoch eine Werbekampagne für vaginale Geburten, die sie „natürliche Geburten“ nennt. Fußballer des Vereins Sivasspor liefen mit einem Transparent des Gesundheitsministeriums ins Stadion. Darauf stand: „Das Natürliche ist eine normale Geburt.“
Vor allem Frauen sind darüber empört. Präsident Erdogan versteht das nicht. Angesichts der immer weiter gesunkenen Geburtenrate müsse die Regierung doch handeln, sonst gerate der Staat in Schwierigkeiten, die Gesellschaft werde zu alt: „Die Bedrohungen, die uns in zehn und zwanzig Jahren erwarten, sind offensichtlich. Das können wir nicht ignorieren. Sollen wir etwa untätig bleiben, nur weil du dich unwohl fühlst?“
2025 ist „Jahr der Familie“ in der Türkei
In der Türkei bringen Frauen im Durchschnitt nur noch fast zwei Kinder zur Welt. Vor 60 Jahren waren es noch mehr als drei Mal so viele. Für eine höhere Geburtenrate hat Erdogan 2025 zum „Jahr der Familie“ erklärt. Dazu gehört auch, dass alles stört, was mehr Kindern entgegenstehen könnte. So erklären sich auch Hassreden der Regierung gegen die LGBT-Community.
Und so, meinen viele Frauen, erkläre sich auch der Drang zu regeln, wie Frauen gebären sollen. Dabei gehe das die Politik schlicht nichts an, meint die CHP-Politikerin Aylin Nazlıaka: „Frauen sagen: ‚Es ist meine Entscheidung, es ist mein Körper.‘ Lassen Sie die Frauen mit Ihrer Ideologie in Ruhe!“
Immerhin können die Gesundheitszentren das Verbot abwenden, Kaiserschnittgeburten durchzuführen – indem sie bis Ende des Jahres Geburtsstationen einrichten.