In diesem Jahr hat Joshua Kimmich fast jeden Monat als Ankläger seiner Fußballmannschaft agiert. Im Januar sagte er in Rotterdam, dass seine Mannschaft in Europa „momentan kein Top-Team“ sei. Auch im Februar in München betonte er, dass sie, wenn sie ihre Spielprinzipien nicht einhalten, nur eine „normale Mannschaft“ seien. Und schließlich im April in Mailand kritisierte er, dass sie in der Champions League „deutlich zu viele Niederlagen“ erlitten habe.
Wenn man die Saison des FC Bayern München beurteilen möchte, könnte man vielleicht schon an dieser Stelle sagen: Keine weiteren Fragen, euer Ehren! Doch trotz all der Anklagen hat Kimmich, der Mittelfeldspieler des deutschen Rekordmeisters, immer wieder auf Freispruch plädiert – da er den Weg, den sein Verein mit dem neuen Trainer Vincent Kompany eingeschlagen hat, für richtig hält.
Es bleibt abzuwarten, wohin dieser Weg führen wird, aber seit diesem Sonntag ist zumindest klar, wo er fürs Erste hingeführt hat: In der ersten Saison unter Kompanys Führung hat der FC Bayern, die einzige Bundesligamannschaft mit fünf Sternen auf dem Trikot, zum 34. Mal die Meisterschaft gewonnen. Trotz des Ausscheidens im Achtelfinale des DFB-Pokals und im Viertelfinale der Champions League kann man mit guten Argumenten sagen: Das ist keine kleine Leistung!
Es heißt ja immer, dass selbst ein Astronom mit den Spielern des FC Bayern Meister werden könnte. Aber selbst wenn man das glaubt (und die Erde für eine Scheibe hält), muss man zugeben, dass Kompany der Mannschaft wieder das gegeben hat, was unter seinem Vorgänger Thomas Tuchel verloren gegangen war: eine Spielidentität, die zum Selbstverständnis des Klubs passt.
Für diejenigen, die Kimmich als Zeugen ablehnen, gibt es den Zeugen Xabi Alonso, der schon nach dem ersten Spiel unter Kompany betonte, dass dies eine völlig andere Mannschaft sei als die, mit der er in der Vorsaison bei Leverkusen gespielt hat.
Alonso ist ein Gegner, den der FC Bayern in der Bundesliga selten sieht. Das macht den Titel umso wertvoller. Für Kompany, den Trainer, der seinem Team die Dominanz mit dem Ball beigebracht hat (und nun noch an der Balance arbeiten sollte).
Aber auch für Max Eberl, den Sportvorstand, der den unerfahrenen Trainer Kompany trotz Skepsis von Aufsichtsratsmitgliedern Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge durchgesetzt hat. Doch auch wenn der FC Bayern der FC Bayern ist, stellt sich schon jetzt die Frage: Wer bestimmt eigentlich den Weg?
Zwischen Trainer und Spielern hat sich Vertrauen entwickelt, aber das Verhältnis zwischen Sportvorstand Eberl und dem Aufsichtsrat, in dem Hoeneß und Rummenigge das Sagen haben, wirkt nicht besonders vertrauensvoll. Sie erwarten von Eberl, dass er die Kosten senkt und die Qualität des Kaders erhöht, was selbst Kopernikus und Kepler vor eine Herausforderung gestellt hätte.
Mit Blick auf das Konfliktpotential könnte man die Meisterschaft auch anders deuten: Eberl und sein Team haben sich durch den Sieg Zeit erkauft und spielen ab sofort auf Bewährung.