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Als deutscher Deeptech-Gründer wünsche ich mir natürlich, dass die Förderung über ein KfW-Darlehen mit Bürgschaften von Bayern und dem Bund doch noch kommt. Und dann gibt es verschiedene Alternativen, über die wir gerade mit den Parteien sprechen, die ich eingangs erwähnt habe. Ich kann da aber nicht ins Detail gehen, weil das laufende Gespräche sind.

Die bayerische Staatsregierung und wir haben über zwölf Monate von der Bundesregierung das Signal bekommen, dass die Förderung kommen wird. Und es gibt ja auch weiterhin sehr starke Unterstützung durch die Bundesregierung und in fast allen Fraktionen. Trotzdem haben einzelne Abgeordnete im Haushaltsausschuss überraschend mit ein paar Tagen Vorlaufzeit blockiert. Dadurch sind wir in eine schwierige Lage gekommen. Das hätte nicht sein müssen. Es macht einen riesigen Unterschied, ob Sie eine Finanzierung drei Tage oder drei Monate vorher absagen.

Unter dem Vorbehalt der Bürgschaft hätten Ihre privaten Investoren ja wohl auch nochmal bis zu 100 Millionen Euro freigegeben, das Land Bayern ebenfalls 50 Millionen. Sie haben Ihren Finanzbedarf einmal mit 200 Millionen Euro im Halbjahr beziffert. Wie viel hätte Ihnen das frische Geld da überhaupt gebracht? Das Geld hätte uns ein großes Stück nach vorne gebracht, bis über den Erstflug des Zulassungsflugzeugs Anfang 2025 hinaus. Eines der großen Missverständnisse in der Debatte ist, dass die Leute auf diese Zahl gucken und sagen: Wenn das Unternehmen zwei Jahre vom Markteintritt entfernt ist, dann reichen 200 Millionen ja nur sechs Monate, und dann brauchen sie immer noch 600 Millionen Euro.

Was die Leute nicht bedenken ist: Unser Lilium Jet hat das größte Auftragsbuch, das ein Flugzeug jemals vor seinem Erstflug hatte. Wir haben über 100 Festbestellungen und Reservierungen, die ein Wertpotential von fast einer Milliarde darstellen, und zusätzlich mehr als 600 Vorbestellungen. Wichtig sind dabei sogenannte Kundenvoranzahlungen, die uns vor allem in der zweiten Hälfte dieser zwei Jahre bis zum Markteintritt sehr stark finanzieren werden. Wir arbeiten zudem für den nächsten Sommer an einem französischen Zuschuss von über 200 Millionen Euro. Nach einer sehr eingehenden Prüfung über mehrere Monate hat die französische Regierung die strategische Bedeutung der elektrischen Luftfahrt und eines Engagements von Lilium in Frankreich bereits festgestellt. Es geht um den Aufbau eines zweiten Produktionsstandorts.

Wie konkret sind diese Pläne in Frankreich? Sehr konkret. Es geht jetzt um die Due Diligence mit den Institutionen, die die Finanzierung übernehmen sollen und die Auswahl des Standorts.

Aber unterschrieben ist noch nichts? Nein, aber Debatten über die strategische Bedeutung und darüber, ob wir qualifiziert sind für ein Engagement des Staates, die sind klar und positiv entschieden.

Dieser Kredit würde dann den Bau der Fabrik abdecken? Genau.

Das Geld ist damit ja gebunden. Inwiefern würde Ihnen das denn für ihre allgemeine finanzielle Lage helfen? Das hilft uns sehr stark – auf verschiedenen Ebenen. Diese Fabrik ist Teil unseres Geschäftsplans. Wir müssen die Flugzeuge aus unserem Orderbuch ja auch irgendwo produzieren. Unsere bisherige Produktion am Flughafen Oberpfaffenhofen reicht dafür nicht. Und zusätzlich ist es ein enormes Signal an den Markt.

Sie haben gerade betont, dass es nur um eine Fabrik geht und nicht um das Verlagern des Hauptsitzes. Ziehen Sie solche Angebote auch in Betracht, sollte es sie geben? Ich möchte darüber jetzt nicht spekulieren, aber am Ende müssen wir dort hingehen, wo es für uns Sinn macht.

Wenn die finanzielle Lage ab kommendem Jahr doch möglicherweise so viel besser aussieht und der bemannte Erstflug wirklich kurz bevorsteht: Warum finden Sie keine privaten Geldgeber, die auch ohne Staat Geld nachschießen? Die privaten Investoren sehen das ja. 1,5 Milliarden Euro Investitionen – 95 Prozent davon aus dem Ausland – sind bereits ein enormer Vertrauensbeweis der privaten Investoren. Es geht auch nicht etwa darum, dass der Staat ein Flugzeugprogramm durchfinanziert. Es geht um ein politisches Signal der Unterstützung. Eine Bundesbürgschaft über 50 Millionen Euro sind bei insgesamt vielleicht zwei Milliarden Euro nun wirklich keine große Summe – vor allem im Verhältnis zu ungefähr 50 Millionen Euro Steuern und Sozialabgaben, die wir für über 1100 Beschäftige im Jahr zahlen. Mittelfristig ist dieses Signal sehr wichtig, weil wir international in einem total verzerrten Wettbewerb sind.

Unsere beiden wichtigsten Wettbewerber in den USA haben bereits eine staatliche Förderung von rund 800 Millionen Dollar bekommen – nicht rückzahlbar. Wir sprechen bei uns über einen gut gesicherten, rückzahlbaren Kredit mit zweistelligem Zinssatz. Die entscheidende Frage ist: Warum machen das die anderen Länder? Warum machen es Amerika, Frankreich, Brasilien und China? Alle erkennen, dass hier eine strategische Industrie entsteht. Die chinesische Luftfahrt wittert wohl die Chance, die westlichen Hersteller mit batterieelektrischen Flugzeugen zu disruptieren, wie man das auch im Automobilsektor gemacht hat. Brasilien hat übrigens gerade in den letzten Tagen den zweiten Teil eines Kredits von insgesamt über 170 Millionen Dollar an das lokale elektrische Senkrechtstarter-Start-up Eve gegeben. Das ist die Realität unserer Branche. Wer diese Marktregeln ignoriert, hat auf Dauer in dieser Branche keine Chance.

Sie sagen also, Lilium ist systemrelevant? Das sollen andere beurteilen. Aber mit Blick auf die elektrische Luftfahrt gebe ich zu bedenken: Global macht die Luftfahrt gut vier bis fünf Prozent der Klimaauswirkungen aus. In Industriestaaten fast das doppelte. Und der Anteil dürfte noch steigen, wenn sich der Luftverkehr in den nächsten 25 Jahren wie vorhergesagt verdoppelt und andere Industrien ihre Emissionen deutlich reduzieren. Die Branche hat bislang keine vernünftige Lösung, wie die Luftfahrt ihren Beitrag zu den Pariser Klimazielen erreichen will. Die traditionelle Industrie setzt größtenteils auf E-Fuels oder andere alternative Kraftstoffe, weil diese den Wert der bestehenden Flotte größtenteils erhalten. Dann bleiben aber immer noch Kondensstreifen und ein extrem ineffizientes Antriebssystem. Wasserstoffflugzeuge sind auf absehbare Zeit nicht verfügbar und auch nicht zulassungsfähig. Wir erwarten, dass die elektrische Luftfahrt in ungefähr zehn Jahren Passagierflugzeuge mit 50 bis 80 Sitzen und 1000 Kilometer Reichweite ermöglichen kann, in 20 bis 25 Jahren mit 2000 Kilometer Reichweite. Mit 2000 Kilometern lassen sich ungefähr 80 Prozent aller Flüge und 50 Prozent aller Passagierkilometer elektrifizieren. Dann wird die Frage sein, ob wir diese Flugzeuge aus China und den USA beziehen müssen – oder ob es auch eine europäische Alternative gibt.

Die Frage ist, wer sich das leisten kann. Bleiben Ihre elektrisch betriebenen Jets nicht auf absehbare Zeit ein Spielzeug für Millionäre? Nein, das ist ein Missverständnis. Jede neue Technologie wird erst im höherpreisigen Segment eingeführt. Denken Sie nur an Tesla. Erst war das nur was für Reiche, jetzt werden E-Autos immer mehr massentauglich. Für den Lilium Jet gilt: Das ist ein regionales Charterflugzeug. Erstanwender werden auch hier zunächst im höherpreisigen Segment unterwegs sein. Wir rechnen mit zwei Euro pro Passagierkilometer für das finale Ticket. Damit können Sie Hochgeschwindigkeitsanbindungen in Regionen schaffen, in denen jetzt noch keine existieren – auch in Deutschland. Das stärkt ländliche Regionen, mittelgroße Industriestandorte und die Wirtschaftskraft. Das hat bereits eine enorme Allgemeinwirkung. Wir gehen davon aus, dass elektrisches Fliegen dreimal so effizient ist wie Wasserstoff und sechsmal so effizient wie E-Fuels. Deshalb erwarten wir, dass im nächsten Jahrzehnt ein konventionell startendes elektrisches Flugzeug kostengünstiger als ein herkömmlicher Flieger mit alternativen Treibstoffen 50 bis 80 Passagiere bis zu 1000 Kilometer transportieren kann. Wir sichern also gerade dem Normalbürger den Zugang zur Luftfahrt, wenn wir elektrische Luftfahrt auf den Weg bringen.

Für all das braucht es aber auch die entsprechenden Genehmigungen. Wie wollen Sie die in Europa erhalten? Die europäische Luftsicherheitsbehörde EASA ist weltweit führend, was die Regularien für elektrische Flugzeuge und auch Senkrechtstarter angeht. Wir arbeiten seit sieben Jahren sehr eng mit der EASA zusammen. Wir sind jetzt in der Endmontage der ersten drei zulassungskonformen Flugzeuge. Das können wir nur tun, weil wir vorher klar von der Behörde gesagt bekommen haben, welche Anforderungen wir erfüllen müssen. Im Frühjahr des nächsten Jahres wird das erste Flugzeug mit Pilot abheben. Das markiert den Beginn der finalen Zulassungskampagne.

Wie lange dauert dieser Prozess? Wir planen 18 Monate mit zum Schluss sechs Flugzeugen. Der Airbus A320 hat eine sehr ähnliche Kampagne gemacht.

Sie haben in der Vergangenheit mehrfach Ihre eigenen Ankündigungen nicht wahrgemacht und Zielvorgaben gerissen. Können Sie verstehen, dass das Vertrauen in Lilium begrenzt ist? Lilium hat bisher genau das Flugzeug entwickelt und gebaut, das wir vorhergesagt haben. Richtig ist, dass wir nach insgesamt neun Jahren jetzt ungefähr zwei Jahre verzögert sind. Aber ich glaube, Sie finden keinen Wettbewerber, bei dem das nicht so war. Sie finden kaum ein Flugzeugprogramm, das ohne Verzögerungen auskommt. Es geht hier um die Entwicklung einer komplett neuen Technologie. Wir müssen die gleichen Sicherheitsstandards wie ein Verkehrsflugzeug erfüllen und das ja auch zurecht. Deshalb ist es völlig irreführend, wenn man jetzt sagt: Das Unternehmen hat 1,5 Milliarden Euro verbraucht und noch keine Umsätze gemacht. Das ist normal. Einen traditionellen Airliner zu entwickeln kostet zwischen 15 und 30 Milliarden an Entwicklungskosten und da fließen Milliardenkredite von staatlicher Seite, auch aus Deutschland. Kein erfolgreiches Luftfahrtprogramm ist ohne Staatsgeld auf die Beine gekommen. Im Vergleich hat Lilium bis zur Endmontage der ersten drei zulassungskonformen Flugzeuge fast ausschließlich privates Kapital mobilisiert, den allergrößten Teil aus dem Ausland.

Es gibt trotzdem erhebliche Zweifel an Ihrer Technologie, etwa, wie der Übergang vom Vertikal- zum Horizontalflug gelingen soll. Können Sie die Transition inzwischen wirklich sicher gewährleisten? Wir fliegen seit mehreren Jahren mit unseren Demonstrator-Flugzeugen in Spanien zu 100 Prozent erfolgreich die Transition. Diese Frage macht übrigens nur ein Prozent der Herausforderungen aus. Unsere Ingenieure beschäftigen sich mit dem Umgang mit Systemausfällen, Aktuatorausfällen, mit komplexen Windbedingungen. Ich finde es etwas traurig, dass man europäischen und deutschen Ingenieuren, die genau diese Herausforderungen vorher bei traditionellen Luftfahrtunternehmen angegangen sind, dieses Vertrauen nicht entgegenbringt. Davon abgesehen halte ich es für fundamental falsch zu sagen: Beweise mir erst, dass die gesamte Technologie da ist, und dann werde ich investieren. Das ist genau der Fehler, den wir hier in Deutschland zu oft machen und der auch teilweise in der politischen Debatte gemacht wurde. Man kann nicht erst investieren, wenn das Risiko Null ist. Dann bräuchte es ja auch gar keine Investitionen mehr. Wie viele vielversprechende Deeptech-Start-ups haben wir denn in Deutschland, in Raumfahrt, Robotik, Kernfusion? Es sind sehr wenige. Wir sollten uns sehr gut überlegen, wie wir mit diesen Unternehmen umgehen und wie wir sie erfolgreich machen. Die sind doch unsere Zukunft. Leider habe ich häufig das Gefühl, dass die lauten Kritiker von heute die gleichen sind, die vor 20 Jahren nicht an den Erfolg von SpaceX oder Tesla geglaubt haben.

Und das geht nur mit Staatsgeldern? Natürlich sind staatliche Kredite nicht die einzige Lösung. Wir müssen auch privat mehr Wachstumskapital mobilisieren. Wir als Gründer tun unser Möglichstes. Wir müssen auch zusammenhängende Märkte schaffen. Aber staatliche Kredite oder staatliche Aufträge sind in der Luftfahrt – einem verzerrten Markt – ein essenzieller Teil der Lösung, um die wir nicht herumkommen werden. Es geht nicht nur um Lilium. Das ist eine Frage des gesamten Standorts. Das bisherige Signal Deutschlands an die Finanzmärkte ist fatal. Einer unserer größten Investoren sagte mir am Freitag: „In Deutschland gibt es wohl keine politische Unterstützung für Deeptech-Investments. Deshalb werden wir Deutschland von der Investment-Landkarte nehmen.“ Darum geht es.