Berlin. Wahre Liebe kann nichts trennen – auch nicht die räumliche Distanz? Eine renommierte Paartherapeutin teilt ihre Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung.
Die Liebe kennt keine Grenzen, auch nicht die Kilometer zwischen zwei Menschen. In Deutschland führen rund 1,7 Millionen Paare eine Fernbeziehung, was bedeutet, dass sie sich nach jedem Treffen verabschieden müssen und oft lange auf ein Wiedersehen warten. Um diese Zeit der Trennung zu überstehen, sind Geduld, Kommunikation und Hingabe wichtig, aber vor allem Vertrauen. Eine erfahrene Paartherapeutin enthüllt, wie Paare trotz räumlicher Distanz und Unsicherheit Vertrauen aufbauen können.
Was bedeutet Vertrauen und wie entsteht es? Vertrauen bildet sich in der Regel schon in der Kindheit, besonders durch die Beziehung zu den Eltern. Der Psychologe Erik H. Erikson prägte den Begriff „Urvertrauen“, um das Grundvertrauen eines Säuglings in seine Bezugspersonen zu beschreiben, das für sein Überleben entscheidend ist. Ein Baby ist völlig hilflos und muss sich auf andere verlassen können. Wenn diese Hilflosigkeit erkannt und gelindert wird, kann ein Urvertrauen entstehen – das Gefühl, sich auf andere verlassen zu können. Fehlt dieses Grundvertrauen, können spätere Beziehungen zu anderen Menschen erheblich erschwert sein.
Für die Stuttgarter Paar- und Sexualtherapeutin Filomena A. Lorenz ist Vertrauen kein statischer Zustand, sondern ein fortlaufender Prozess, der von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter reicht und sich ständig weiterentwickelt. „Vertrauen basiert auf vergangenen Erfahrungen, aber ist auch auf die Zukunft gerichtet. Vertrauen birgt immer das Risiko, enttäuscht zu werden“, erklärt sie. Anderen zu vertrauen bedeutet, ihnen immer wieder einen „Vertrauensvorschuss“ zu geben, ohne das Ergebnis zu kennen, aber mit der Hoffnung auf zukünftige Verlässlichkeit.
Warum ist Vertrauen in Beziehungen so wichtig? Laut Paartherapeutin Lorenz geben Menschen ihren Mitmenschen in Beziehungen immer einen Vertrauensvorschuss. Die eigenen Kontroll- und Handlungsmöglichkeiten werden dem anderen freiwillig eingeschränkt: „Ich vertraue dir, dass du mich nicht absichtlich verletzt.“ Wenn Paare feststellen, dass sie sich aufeinander verlassen können und ihr Vertrauen auch in schwierigen Zeiten nicht gebrochen wird, stärkt das gegenseitige Vertrauen und schafft ein Gefühl der Sicherheit. „Erst diese Sicherheit oder dieses Wohlbefinden ermöglicht es Paaren, sich aufeinander zu verlassen, Kontrolle abzugeben und eine tiefe Bindung zu entwickeln“, erklärt die Expertin.
Fernbeziehung: Wie kann Vertrauen trotz Distanz aufgebaut werden? Vertrauen spielt auch in Fernbeziehungen eine entscheidende Rolle. Eine solide Vertrauensbasis ist laut Paartherapeutin Filomena A. Lorenz für Fernbeziehungen unerlässlich. Die räumliche Trennung und das Fehlen eines gemeinsamen Alltags können leicht zu Verunsicherung und Entfremdung führen. „Als soziale Wesen benötigen wir Nähe und Distanz. Nähe schafft Vertrauen, weil wir unmittelbar erleben, was passiert“, erklärt Lorenz. Distanz hingegen kann das Gefühl der Entfremdung verstärken, insbesondere wenn die Kommunikation zwischen den Partnern nicht richtig funktioniert. Regelmäßige Telefonate, Videochats und das Teilen von Alltagsmomenten über Fotos oder Nachrichten helfen dabei, die emotionale Nähe aufrechtzuerhalten. Rituale wie Guten-Morgen- und Gute-Nacht-Nachrichten können Routine schaffen und ein Gefühl von Beständigkeit und Nähe vermitteln.
Es ist wichtig, dass beide Partner ihre Bedürfnisse und Erwartungen offen kommunizieren. „Missverständnisse und Unsicherheiten lassen sich oft durch klare und offene Gespräche vermeiden“, sagt die Paartherapeutin. Gespräche über gemeinsame Ziele und Pläne für die Zukunft sind ebenfalls hilfreich, da sie beiden Partnern etwas geben, auf das sie bis zum Wiedersehen hinarbeiten können, und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.
Untreue in einer Fernbeziehung: Wie kann das Vertrauen wiederhergestellt werden? Wenn es in einer Fernbeziehung zu Untreue kommt, wird das Fundament des Vertrauens schwer erschüttert. Ein Seitensprung kann dem betrogenen Partner das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle über das eigene Leben nehmen. Der Prozess des Wiederaufbaus von Vertrauen ist langwierig und herausfordernd. Beide Partner müssen bereit sein, sich mit den Ursachen und Folgen der Untreue auseinanderzusetzen. Der untreue Partner muss Verantwortung übernehmen und offen über das Geschehene sprechen, während der betrogene Partner seine Gefühle und Bedürfnisse klar kommunizieren muss.
Ein neues gemeinsames Verständnis von Treue zu schaffen und neue Grenzen zu setzen, ist ein wichtiger Schritt, um wieder Vertrauen aufzubauen. „Beide Partner müssen lernen, die neuen Regeln der Beziehung zu respektieren und einzuhalten. Das kann bedeuten, dass der untreue Partner im Alltag mehr Transparenz zeigt, damit der betrogene Partner lernt, wieder zu vertrauen“, erklärt Lorenz. Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Vertrautheit, geteilt durch Selbstorientierung, ergeben Vertrauenswürdigkeit. Vertrauen entsteht, wenn beide Partner glaubwürdig und verlässlich handeln und sich ihrer eigenen Bedürfnisse bewusst sind.
Vertrauen ist ein lebenslanges Thema, das Geduld, Arbeit und oft auch viel Leid erfordert. Es ist jedoch möglich, Vertrauen immer wieder neu aufzubauen und zu lernen, selbst in schwierigen Situationen. Filomena A. Lorenz betont, dass Vertrauen eine „never ending story“ ist, die bis zum letzten Atemzug dauert.