Frau Ministerin Warken, du bist gesetzlich krankenversichert. Wie sind deine Erfahrungen damit? Ich kenn‘ alle Höhen und Tiefen. Auch ich hab schon lange auf ’nen Arzttermin gewartet, hin und wieder gibt’s Diskussionsbedarf mit der Kasse. Deshalb kann ich voll nachvollziehen, was viele Bürgerinnen und Bürger umtreibt. Hast du ’n Brief mit ’ner saftigen Erhöhung deines Zusatzbeitrags bekommen? Ja, und in dem Moment schluckt man schon. Für mich ist das noch okay, aber andere merken das echt im Geldbeutel. Die Krankenversicherung muss bezahlbar bleiben. Für jeden.
Die Finanzlage ist prekär. Werden die Beiträge weiter steigen? Das wollen wir auf jeden Fall vermeiden, um weder Bürger noch Unternehmen zu überfordern. Diese Koalition will die Wirtschaft ankurbeln, die Wettbewerbsfähigkeit und den Arbeitsmarkt stärken. Steigende Sozialbeiträge bremsen das Wachstum. Was planst du kurzfristig? Wir haben zur Sicherung der Liquidität schon 800 Millionen Euro aus dem Bundeszuschuss vorzeitig an den Gesundheitsfonds gezahlt, von dem die Krankenkassen ihr Geld erhalten. Aber wir werden zusätzliche Haushaltsmittel brauchen. Wir sind in der Koalition gerade dabei, die Richtung zu vereinbaren, damit die Pflegeversicherung die Ausgaben aus der Corona-Zeit erstattet bekommt.
Da geht es einmalig um mehr als fünf Milliarden Euro, etwa für Tests. Hast du das Geld bei Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) schon angemeldet? Ja, haben wir. Die Bewältigung der Pandemie war eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, es ist nicht nachvollziehbar, dass versicherungsfremde Leistungen von den Beitragszahlern geschultert werden. Planst du also ein Sofortprogramm gegen Beitragserhöhungen. Gehört dazu, dass der Bund die jährlich zehn Milliarden Euro übernimmt, die bei den Beiträgen für Bürgergeldbezieher fehlen? Jeder versteht, dass die Kostenübernahme des Bundes für die Krankenkassenbeiträge der Bürgergeldempfänger nicht ausreicht. Wie wir damit umgehen, werde ich vertrauensvoll mit dem Finanzminister besprechen. Klar ist aber, dass wir das Gesundheitssystem nicht allein über den Haushalt sanieren können.
Die Krankenkassen wollen ein Ausgabenmoratorium, damit die Kosten die Einnahmen nicht mehr überschreiten. Ich werde mit allen Beteiligten sprechen, auch zu diesem Thema. Aber wir brauchen mehr als schnelle Vorschläge. Ja, wir wollen den Kassen kurzfristig Luft verschaffen, damit zum Jahresende nicht die Beiträge steigen. Zugleich bedarf es aber langfristiger Lösungen, tragfähiger Finanz- und Strukturreformen. Du bist die erste Frau im Amt seit Ulla Schmidt (SPD) vor 20 Jahren. Auch damals ging es Kassen und Wirtschaft schlecht. Frau Schmidt reagierte mit Sparprogrammen, mit Zuzahlungen wie der Praxisgebühr und mit Streichungen bei Brillen oder Zahnersatz. Meinst du das mit langfristigen Lösungen? Solche Schritte wollen wir möglichst vermeiden. Langfristige Lösungen sind Strukturreformen, keine Sparpakete.
Dein Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) hat zum Amtsantritt Leistungskürzungen ausgeschlossen. Du tust das jetzt auch? Leistungskürzungen zu verhindern, ist das Ziel der Koalition. Uns geht es darum, Effizienzen zu heben und das Geld besser zu verwenden, damit es beim Patienten oder Pflegebedürftigen wirklich ankommt. Die Koalition plant eine Kommission zur Reform der Krankenkassenfinanzen bis 2027. Haben wir so viel Zeit? Nein. Wir brauchen früher erste Gegenmaßnahmen. Die Kommission ist nicht daran gebunden, erst 2027 Vorschläge zu unterbreiten. Wir werden die Dinge früher angehen. Wer wird in der Kommission sitzen? Das steht noch nicht fest. Es gibt den Wunsch aus dem Bundestag, beteiligt zu werden. Wir brauchen aber auch externen Sachverstand, vor allem kein Gremium, dessen Ergebnis schon vorab absehbar ist.