Die schwarz-rote Koalition ist noch keine Woche im Amt, schon zeichnet sich ein Grundsatzkonflikt in der Sozialpolitik ab. Angestoßen hat ihn die Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD). „Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen“, sagte sie am Wochenende der Funke Mediengruppe. „In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern.“ In der Union ist man wenig begeistert von dem Vorstoß des Koalitionspartners. „Es ist wichtig, dass wir jetzt rasch die Dinge umsetzen, die wir erst vor wenigen Tagen den Menschen zugesagt haben – die Umsetzung der Aktivrente etwa, sodass Rentner 2000 Euro steuerfrei monatlich verdienen dürfen“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der F.A.Z. „Daneben muss auch das Bürgergeld abgeschafft werden, so wie wir es in der Koalition vereinbart hatten. Danach können wir gern ergebnisoffen über alle möglichen Ideen sprechen. Ansonsten laufen wir Gefahr, uns zu verzetteln und am Ende gar nichts auf den Weg zu bringen. Wir müssen jetzt ins Machen kommen.“ Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann äußerte sich ablehnend und verwies auf den Koalitionsvertrag. Schon kurz nach dessen Vorstellung Anfang April hatte sich gezeigt, dass Union und SPD wesentliche Punkte unterschiedlich interpretieren – etwa ob Steuererhöhungen für Besserverdiener ausgeschlossen sind (wie die Union es sieht) oder ob die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro die Stunde bereits feststeht (wie die SPD es darstellt). Nun kommt mit der Rentenfinanzierung weiterer Konfliktstoff dazu. Weil immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen, steht das System unter Druck. „Sinnvoll, das Pensionssystem der Beamten schrittweise umzustellen“ Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent (Durchschnittsrente in Relation zum Durchschnittseinkommen in Deutschland) bis zum Jahr 2031 zu halten und die Mehrkosten aus Steuermitteln zu finanzieren. Bis zur Mitte der Legislaturperiode soll eine Rentenkommission Vorschläge erarbeiten, wie die gesetzliche Rentenversicherung langfristig finanziert werden kann. Zudem sollen alle neuen Selbständigen, die nicht über ein Versorgungswerk versichert sind, „gründerfreundlich“ in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrats, begrüßt die Debatte, warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen. „Die Selbständigen sollte man einbeziehen, wenn sie nicht nachweisen, dass sie selbst vorsorgen“, sagte die „Wirtschaftsweise“ der F.A.Z. Bei den Beamten stelle sich die Sache komplizierter dar. „Es ist sinnvoll, das Pensionssystem der Beamten schrittweise umzustellen, schon aus politökonomischen Gründen. Die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Gruppen ist in der Bevölkerung unbeliebt, erst recht wenn nicht alle Gruppen von Einschnitten wie Erhöhung der Beiträge oder Begrenzung des Rentenanstiegs gleichermaßen betroffen sind.“ Kritisch sieht Schnitzer auch, dass Politiker die künftigen Belastungen aus den Pensionsverpflichtungen für die öffentlichen Haushalte in der Gegenwart gerne ausblenden. Auch wenn die Ökonomin dazu rät, „das Momentum zu nutzen und eine Reform anzugehen“, bremst sie zugleich die Erwartungen. „Das grundlegende Problem, dass künftig immer mehr Rentnerinnen und Rentner immer weniger Beitragszahlerinnen und -zahlern gegenüberstehen, wird durch die Umstellung aber nicht gelöst, denn auch die Beamten werden Ansprüche erwerben, die dann von künftigen Beiträgen finanziert werden müssen“, gibt Schnitzer zu bedenken. „An einer Begrenzung der Ansprüche durch eine längere Arbeitszeit oder eine Begrenzung der Rentenanstiege wird deshalb kein Weg vorbeiführen.“Aktuell gibt es in der gesetzlichen Rentenversicherung knapp 40 Millionen Beitragszahler und 19 Millionen Rentner. Im Schnitt finanzieren also etwa zwei Erwerbstätige einen Rentner. In den Sechzigerjahren betrug das Verhältnis noch fünf zu eins. Derzeit beträgt der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung 18,6 Prozent. Da nun die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente gehen, erwarten Fachleute einen baldigen Anstieg. Als die Ampelkoalition ihr sogenanntes Rentenpaket II plante, war von einem Beitragssatz von 22,3 Prozent im Jahr 2035 die Rede. Hinzu kommen die Zuschüsse aus Steuermitteln. Im Haushaltsentwurf für 2025 waren dafür rund 120 Milliarden Euro eingeplant, knapp ein Viertel des Gesamthaushalts. Vorschläge, das Renteneintrittsalter zu erhöhen oder die Anreize zur abschlagsfreien Frührente abzuschaffen, stoßen auf Kritik. Bei der Bundestagswahl waren 42 Prozent der Wahlberechtigten 60 Jahre oder älter. In den Wirtschaftsverbänden sieht man die auch schon zu Ampelzeiten diskutierten Überlegungen einer Rentenversicherung für alle kritisch. Die Optionen „erweisen sich bei genauerem Hinsehen nicht als nachhaltig“, heißt es in einem im März veröffentlichten Bericht der Arbeitgebervereinigung BDA. „Dies gilt insbesondere für Erweiterungen des Versichertenkreises, vor allem für eine obligatorische Einbeziehung der Beamten und aller Selbständigen.“ Je nach Ausgestaltung ergäben sich allenfalls temporär Vorteile. „Im Kern werden die Probleme, die der demographische Wandel in der gesetzlichen Rentenversicherung verursacht, nur ungelöst vertagt.“ Der Deutsche Beamtenbund erteilte „einer Zwangs-Einheitsversicherung eine klare Absage“, wie der Vorsitzende Ulrich Silberbach am Wochenende mitteilte. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, lobte Bas dagegen dafür, „überkommene Privilegien zu hinterfragen“.
Rentenfrage: Bärbel Bas fordert Machtprobe
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