In Georgien haben sich erneut große Menschenmengen zu proeuropäischen Demonstrationen versammelt. Die Polizei setzte dabei Wasserwerfer und Tränengas ein. Berichten zufolge gab es Verletzte und mehrere Festnahmen.
Den zweiten Abend in Folge haben in Georgien proeuropäische Demonstranten gegen den von der Führung verkündeten Stopp von EU-Beitrittsverhandlungen protestiert. In der Hauptstadt Tiflis versammelten sich nach Angaben des Nachrichtenportals OC Media mehrere Zehntausend Menschen. Andere Beobachter bestätigten, dass deutlich mehr Demonstranten auf der Straße seien als am Donnerstagabend.
Die Polizei zog in Tiflis erneut starke Kräfte zusammen und versuchte, die Demonstranten gewaltsam von der Hauptstraße Rustaweli-Prospekt zu vertreiben. Dabei setzte sie mehrfach Wasserwerfer sowie Tränengas ein. Es gab Verletzte und Dutzende Festnahmen, wie Augenzeugen berichteten. Demonstranten bauten improvisierte Barrikaden und warfen Feuerwerkskörper.
Weitere proeuropäische Kundgebungen wurden aus Batumi, Sugdidi und anderen Städten in der Südkaukasusrepublik gemeldet. Auch in Batumi gab es Medienberichten zufolge Festnahmen.
In der Hauptstadt Tiflis versammelten sich die Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude.
Der seit Monaten immer wieder aufflammende Protest hat sich diesmal daran entzündet, dass die nationalkonservative Regierung Verhandlungen über einen EU-Beitritt bis 2028 auf Eis gelegt hat. Dabei hat ein Beitritt zur Europäischen Union in der Ex-Sowjetrepublik Verfassungsrang; die große Mehrheit der Bevölkerung befürwortet ihn.
Die Regierungspartei Georgischer Traum betrachtet indes Brüsseler Kritik an ihrem zunehmend autoritären Kurs als Einmischung und Erpressung. Die Opposition wiederum befürchtet, dass durch die Abkehr von Europa Russland wieder mehr Einfluss in Georgien bekommt.
Die proeuropäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili sagte in einer Fernsehansprache: „Es ist offensichtlich, dass niemand ein russifiziertes Georgien will, ein Georgien, das seiner Verfassung beraubt ist, oder ein Georgien in der Hand einer illegitimen Regierung.“ Sie forderte eine Wiederholung der umstrittenen Parlamentswahl von Ende Oktober. Dabei war trotz Manipulationsvorwürfen die Partei Georgischer Traum zur Siegerin erklärt worden.
Auch mehr als 100 georgische Diplomaten protestierten in einem offenen Brief gegen das Aussetzen der EU-Beitrittsgespräche. Sie bezeichneten die Entscheidung als verfassungswidrig, sagte ein Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters. Mitarbeiter im Verteidigungs-, Bildungs- und Justizministerium bezogen ebenfalls Stellung gegen die Entscheidung der Regierung.
Bereits in der Nacht auf Freitag waren bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei in Tiflis Regierungsangaben zufolge Dutzende Menschen festgenommen worden. Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete, schlug die Polizei in der Hauptstadt auf friedlich protestierende Teilnehmer ein. Zudem setzte sie Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer ein.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden in der Nacht 43 Menschen „wegen Missachtung polizeilicher Anordnungen“ und Vandalismus festgenommen. 32 Polizisten seien durch die „illegalen und gewaltsamen Aktionen“ der Demonstranten verletzt worden.
Die Situation in Georgien bleibt angespannt, da die proeuropäischen Demonstranten weiterhin für ihre Forderungen auf die Straße gehen. Die Regierung muss sich mit dem Unmut der Bevölkerung auseinandersetzen und entscheiden, wie sie mit den Protesten umgehen will, um eine Eskalation der Situation zu verhindern. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in den kommenden Tagen entwickeln wird und ob es zu weiteren gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften kommen wird.