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Historisch gesehen wählen amerikanische Frauen eher die Demokraten, Männer die Republikaner. Umfragen deuten darauf hin, dass diese Kluft zwischen den Geschlechtern im November noch größer wird. Wird das eine Wahl Frauen gegen Männer? Einige der Schlagzeilen sind ein bisschen übertrieben. Wenn man sich die durchschnittlichen Umfragen anschaut, liegt der „gender divide“ zwischen zehn und fünfzehn Prozentpunkten. Vor vier Jahren waren es je nach Rechnung zehn bis dreizehn Prozentpunkte. Auch in der Biden-Trump-Wahl gab es einen großen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Aber diese Lücke hat sich immer weiter vergrößert, seit Donald Trump antritt.

Das ist also ein Trump-Phänomen, kein Harris-Phänomen?Ja, die Zahl hat sich nicht wesentlich verändert, nachdem Biden aus dem Rennen ausgestiegen ist. Nach dem Wahltag werde ich mich deshalb weniger damit beschäftigen, wen die Frauen gewählt haben – das weiß ich. Die meisten Frauen werden höchstwahrscheinlich für Kamala Harris stimmen, weil sie seit 1980 bei jeder Wahl für den demokratischen Kandidaten gestimmt haben. Aber die Wahlbeteiligung wird spannend: Wird sie höher sein? Und inwieweit ist das Harris zuzuschreiben?

Dabei ist es eher Trump, der geschlechtsspezifisch Wahlkampf macht. Ja. Er spielt viel mit klassischen Geschlechtervorstellungen von Führung, mit Themen wie Abtreibung und anderen Dingen, die Männer und Frauen in unterschiedlichem Maße motivieren. Das trägt zu der Kluft bei. Aber es ist eine Fortsetzung des Trends, kein neues Phänomen.

Kelly Dittmar ist Associate Professor für Politikwissenschaft an der Rutgers University in New Jersey und Leiterin der Forschungsabteilung des „Center for American Women and Politics“. Ihre Forschung konzentriert sich auf das Zusammenspiel von Geschlecht und Politik in den Vereinigten Staaten.

Trump und sein Vize J. D. Vance werben mit den Werten traditioneller Männlichkeit. Frauen als Hausfrauen, Mütter und Katzen-Ladys, Männer als Verdiener und Beschützer. Welche Rolle spielt das? Es gibt einige großartige Umfragen, in denen danach gefragt wird, ob die Leute der Meinung sind, dass die Gesellschaft zu weich und weiblich wird, ob Männer bestraft werden, nur weil sie Männer sind. Das sind alles Formen der männlichen Opfermentalität. Es gibt die Wahrnehmung, dass die Männlichkeit bedroht ist. Trump-Wähler sind am ehesten der Meinung, dass der Feminismus zu weit gegangen ist. Die vermeintliche Bedrohung der Männlichkeit war ein wichtiger Faktor für viele, ihre Stimme 2016 und 2020 Trump zu geben.

Und wie reagieren seine Wählerinnen darauf? Es gibt auch Frauen, die an traditionellen Geschlechterideen von Macht und Arbeitsteilung festhalten. Damit lässt sich eine Basis zementieren. Die Betonung traditioneller Männlichkeit ist ein zentrales Thema Trumps. 2020 konnte er mit dieser Strategie nicht gewinnen, weil er zu viele andere Wähler verloren hat: weiße Frauen mit College-Abschluss, gemäßigte Männer. Die Frage ist, ob es diesmal reicht. Aber anstatt diese Geschlechterfragen etwas in den Hintergrund zu stellen, hat er sich noch mehr darauf konzentriert.

Kamala Harris macht ihr Geschlecht, anders als Hillary Clinton 2016, im Wahlkampf kaum zum Thema. Ist sie sich der Stimmen der amerikanischen Frauen so sicher, oder befürchtet sie, damit Wähler abzuschrecken?Hillary Clinton hat den „popular vote“ gewonnen, also hat sie keine Stimmen verloren, weil sie darüber sprach, eine Frau zu sein, wohl aber auch nicht deswegen gewonnen. Die Leute wählen nicht, um Geschichte zu schreiben. Es geht ihnen um Inhalte. Clinton hat davon gesprochen, die gläserne Decke zu durchbrechen. Sie hat ihr Geschlecht sicherlich mehr zum Thema gemacht als Harris. Doch ihre zentrale Botschaft war: Ich bin qualifiziert, die Führung zu übernehmen. Sie hat sich nicht darauf verlassen, dass es reicht, eine Frau zu sein. Aber sie hat damit Unterstützer mobilisiert, wollte damit Begeisterung erzeugen.

Und warum macht Harris das nicht auch in diesem engen Rennen? Harris weiß, sie muss den Leuten nicht sagen, dass sie Geschichte schreiben würde. Das ist offensichtlich. Sie spricht über ihre Herkunft, ihr Geschlecht, indem sie von ihren eigenen Erfahrungen erzählt. Wenn sie also über ihre Mutter spricht, darüber, wie sie aufgewachsen ist, und vom Studium an der Howard University, dann macht sie das alles klar, ohne dass sie die Themen explizit erwähnen muss. Ihr Wahlkampfteam entscheidet, was sie in den Vordergrund stellt. Aber ich würde nicht behaupten, dass sie vor diesen Themen wegläuft, weil sie befürchtet, dass sie ihr als schwarzer und südasiatischer Frau bei den Wählern schaden könnten.

Barack Obama hat schwarze Männer gerade dazu aufgerufen, Harris zu unterstützen, und die mangelnde Begeisterung beklagt. Er deutete an, viele wollten vielleicht keine Frau als Präsidentin sehen. Zieht Trumps Ansprache bei dieser Gruppe? Mehr als siebzig Prozent der schwarzen Männer unterstützen immer noch Harris und Walz, das sind viel mehr als bei den meisten anderen männlichen Wählergruppen. Obama hat davon gesprochen, wie schwarze Frauen liefern, und dass die Männer das auch tun müssten. Meiner Meinung nach ging es darum, dass sie Wähler mobilisieren und die Wahlbeteiligung am Ende hoch ist. In den vergangenen Wahlen haben schwarze Wähler, besonders Männer, den demokratischen Kandidaten mit mehr als achtzig Prozent unterstützt. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es in dieser Gemeinschaft Sexismus gibt, genau wie auch bei Weißen und Latinos. Aber stimmen schwarze Männer am Ende für Donald Trump, weil Harris eine Frau ist? Dafür gibt es aus meiner Sicht keine Beweise. Sie könnten für Trump stimmen, weil der sie im Wahlkampf direkt anspricht. Natürlich auch mit Themen, bei denen es um Männlichkeit geht. Aber es braucht mehr, um sich am Ende gegen die Frau zu entscheiden.

Trump hat sich abfällig über Frauen geäußert, wurde wegen sexueller Nötigung verurteilt und in anderen Fällen der sexuellen Belästigung beschuldigt. Was sagt das über den Zustand des Feminismus in Amerika aus, wenn ihn trotzdem so viele Männer unterstützen wollen? Wenn wir einen Fortschritt sehen, gibt es fast immer auch eine Gegenreaktion auf diesen Fortschritt. Das gilt für Geschlechtergerechtigkeit wie für LGBTQ-Rechte und Chancengleichheit. Die Gesellschaft tendiert dann dazu, alte Machtdynamiken wiederherstellen zu wollen. Donald Trump hat diese männliche Opfermentalität aufgegriffen. Er sagt: Wer die Normen des weißen männlichen Privilegs angreift, der will euch wegnehmen, was euch rechtmäßig zusteht. Das macht er genauso mit Transmenschen und Migranten. Damit mobilisiert er. Das ist keine neue Strategie, aber Trump stützt sich im Wahlkampf maßgeblich auf diesen rückwärtsgewandten Ansatz. Er spielt mit der Angst der Leute, die wollen, dass alles so bleibt, wie es ist.