Wirtschaftlicher Druck steigt weiter: ifo-Index sinkt viertes Mal in Folge
Die Stimmung in den deutschen Chefetagen verschlechtert sich weiter, da der ifo-Geschäftsklimaindex, der wichtigste deutsche Konjunkturindikator, erneut gesunken ist. Dies deutet auf eine schrumpfende Wirtschaftsleistung hin.
Überraschend stark fiel auch im September die Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Der ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 85,4 Punkte, nachdem er im August bei 86,6 Punkten lag. Dies gab das ifo-Institut bekannt, nachdem es rund 9.000 Führungskräfte befragt hatte. Dies war der vierte Rückgang in Folge und der tiefste Stand seit Januar.
Die von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang auf 86,0 Punkte gerechnet. Sowohl die aktuelle Geschäftslage als auch die Aussichten für die kommenden Monate wurden von den Unternehmen pessimistischer bewertet als zuvor.
„Am Rande einer Abwärtsspirale“
„Die deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck“, erklärte ifo-Präsident Clemens Fuest. „Die Kernbranchen der deutschen Industrie stecken in Schwierigkeiten.“ Angesichts trüber Aussichten und eines verschärften Auftragsmangels sank der ifo-Index im Verarbeitenden Gewerbe auf den niedrigsten Wert seit Juni 2020, als die Corona-Krise die Wirtschaft bremste.
Auch die Führungskräfte im Dienstleistungssektor und im Handel wurden pessimistischer. „Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Abwärtsspirale“, sagte ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Den einzigen Lichtblick liefere das Bauhauptgewerbe, wo der Stimmungsindikator gestiegen sei, so die Wirtschaftsforscher.
Bestenfalls Stagnation im zweiten Halbjahr
Der deutliche Rückgang des ifo-Index sei eine „kalte Dusche“ und das wichtige Barometer zeige nun im Trend wieder klar nach unten, erklärte auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Halbjahr bestenfalls stagnieren und auch 2025 kaum wachsen.
Aus Sicht von Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater sind sowohl Konsumenten als auch Unternehmen verunsichert. Die trübere Stimmung sieht er in den jüngsten schlechten Nachrichten aus wichtigen deutschen Unternehmen, einer „zerstrittenen Politik“ und einer geringen Auslandsnachfrage begründet.
Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut senkte derweil seine Konjunkturprognose leicht und traut der Wirtschaft 2024 nur noch eine Stagnation zu. Im nächsten Jahr werde es mit 0,7 Prozent Wachstum langsamer bergauf gehen als bisher gedacht. „In dieser Situation bräuchten wir in Deutschland eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit umfangreichen und kontinuierlichen Investitionen unter anderem in Erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung“, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien.
Rezession in Sicht
Die Umfrage unter Einkaufsmanagern für die hiesige Privatwirtschaft hat bereits die Hoffnungen auf einen Aufschwung gedämpft: Der Frühindikator von S&P Global rutschte im September noch tiefer unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
Mit den neuen Daten wird eine Rezession in diesem Jahr wahrscheinlicher. Nach einem Anstieg von 0,2 Prozent zu Jahresbeginn war das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni wegen sinkender Investitionen um 0,1 Prozent zum Vorquartal geschrumpft. Im laufenden Sommerquartal könnte die Wirtschaft nach Einschätzung der Bundesbank stagnieren oder erneut leicht schrumpfen. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Fachleute von einer technischen Rezession.