Evakuierung von Dörfern aufgrund von Unwetter und Hochwasserrisiko
In Polen, Tschechien und Österreich bereiten sich die Menschen auf starkes Hochwasser vor. Erste Dörfer wurden evakuiert. Auch in Süd- und Ostdeutschland warnen Experten vor Starkregen und Überschwemmungen.
In Polen und Tschechien sind nach anhaltenden Regenfällen die Wasserstände in vielen Flüssen stark gestiegen. In der Nähe der polnischen Stadt Oppeln in Schlesien mussten deswegen zwei Dörfer evakuiert werden.
Aus dem Dorf Glucholazy nahe der Grenze zu Tschechien mussten 400 Bewohner in Sicherheit gebracht werden. Hundert Feuerwehrleute und 60 Polizisten seien in dem Dorf im Einsatz, schrieb Innenminister Tomasz Simoniak. Auch aus dem Dorf Morow musste ein Teil der Bewohner evakuiert werden. Polen: Höchste Alarmstufe in mehreren Regionen
Die Behörden in Polen riefen die Bürger auf, Vorkehrungen für den Fall von Überschwemmungen zu treffen. Menschen, die in der Nähe von Flüssen im Erdgeschoss wohnten, sollten sich auf Hochwasser einstellen, sagte Vize-Innenminister Wieslaw Lesniakiewicz. Garagen sollten geräumt und Autos an einem sicheren Ort geparkt werden. „Es können auch Situationen eintreten, wo zeitweise kein Trinkwasser vorhanden ist oder kein Strom.“
In Polen gelten für die Woiwodschaften Niederschlesien, Schlesien und Oppeln angesichts des zu erwartenden Dauerregens die höchste Alarmstufe 3, teilte das Meteorologische Institut (IMGW) mit. Es warnte vor einem raschen und gefährlichen Anstieg der Wasserstände in den Flüssen. Tschechien: Häuser und Straßen überflutet
Auch in Tschechien ist die Lage angespannt: Ein Fernsehsender veröffentlichte Aufnahmen aus dem Dorf Mikulovice nahe der Grenze zu Polen. Dort ist zu sehen, wie am frühen Morgen die Wassermassen Häuser, Garagen und Straßen überfluten. Im südböhmischen Budweis (Ceske Budejovice) errichten Feuerwehrleute seit Freitagabend Hochwasserschutzwände am Moldauufer.
Meteorologen zufolge werden die Pegelstände der Flüsse in Tschechien am Wochenende weiter ansteigen. Mancherorts hat es seit Freitag bereits 50 bis 110 Liter pro Quadratmeter geregnet. „100-jähriges Hochwasser“ in Österreich erwartet
Noch mehr Niederschlag wird in Österreich erwartet. In Niederösterreich werden bis zu 300 Liter Niederschlag pro Quadratmeter und orkanartige Windböen erwartet. „Entlang der Donau rechnen wir mit einem zehn- bis 15-jährlichen Hochwasser“, sagte er, an den Zuflüssen könne es „punktuell hin zu 100-jährlichen Hochwässern kommen“. Im Rahmen der Vorbereitungen wurden unter anderem mobile Hochwasserschutzanlagen aufgebaut und Sandsäcke gefüllt. Auch in Oberösterreich liefen die Vorkehrungen mit Blick auf den Starkregen am Wochenende.
Am Freitagabend kam es bereits in einigen Gemeinden zu ersten Evakuierungen. Betroffen waren Gartensiedlungen entlang von Flüssen. Allein im Bundesland Niederösterreich rückte die Feuerwehr über Nacht zu 160 Einsätzen aus, vor allem wegen Sturmschäden.
Als positiv wurde gewertet, dass der Niederschlag oberhalb von 800 Metern als Schnee niederging, wo er voraussichtlich zunächst nicht zu Überschwemmungen beitragen werde. Bahn und Autoklub raten von Reisen ab
Am stärksten regnen werde es im Gebiet von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland über Oberösterreich, den Großteil von Salzburg und der Obersteiermark bis zum Tiroler Unterland. Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) hatte bereits am Donnerstag vor „Abweichungen und Verspätungen im Zugverkehr“ gewarnt und Fahrgäste aufgerufen, bis einschließlich Sonntag „nicht dringende Reisen auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben“.
Mehrere Straßen in Österreich waren wegen umgestürzter Bäume oder liegengebliebener Fahrzeuge blockiert. Andere Routen, wie etwa die Großglockner Hochalpenstraße, wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. In manchen Gebieten galt Schneekettenpflicht. Der österreichische Autoklub ÖAMTC appellierte an Autofahrer, wegen des Wetters in den kommenden Tagen „gegebenenfalls auf nicht unbedingt notwendige Fahrten zu verzichten“. Deutscher Alpenrand besonders betroffen
In Deutschland bereiten sich vor allem südliche und östliche Bundesländer auf Überschwemmungen vor. In Bayern dürften das Chiemgau, das Mangfallgebirge und das Berchtesgadener Land am stärksten betroffen sein.
Binnen 48 Stunden, zwischen Freitagmorgen und Sonntagmorgen, können zwischen Mangfallgebirge und Berchtesgadener Land 80 bis 100 Liter pro Quadratmeter zusammenkommen, in Staulagen seien auch 150 Liter möglich. Für das Allgäu und den Bayerischen Wald rechnen die Fachleute bis Sonntagmorgen mit 40 bis 60 Litern Regen pro Quadratmeter.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagte „eine bis Sonntagfrüh anhaltende Dauerregensituation am Alpenrand“ – teils mit Unwettern – voraus. Verbreitet könnte dies demnach zu Mengen zwischen 40 bis 60 Litern pro Quadratmeter führen, ab dem Chiemgau ostwärts in Staulagen von rund 100 Litern pro Quadratmeter. Warnung vor Überflutungen und möglichen Erdrutschen
Laut MDR-Meteorologe Florian Rost sind im Osten Sachsens Niederschlagsmengen von zwischen 60 und 100 Litern pro Quadratmeter möglich. Der DWD hatte am Donnerstagabend eine Warnung vor ergiebigem Dauerregen von Freitag, 9 Uhr, bis Samstag, 12 Uhr herausgegeben. Betroffen sind demnach die Kreise Bautzen, Görlitz, Mittelsachsen (Bergland) und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Es bestehe Gefahr für Leib und Leben durch Überflutungen von Straßen, Unterführungen und gewässernahen Gebäuden sowie durch mögliche Erdrutsche.
Regenfälle durch Tief „Anett“
Ausgelöst werden die Regenfälle durch eine seltene Wetterlage, bei der ein Tief aus dem warmen Mittelmeerraum im Alpenraum auf polare Kaltluft trifft. Solche Entwicklungen führten häufig zu ergiebigen, manchmal auch zu extremen Niederschlägen und Unwettern, erklärt Rainer Behrendt vom ARD-Wetterkompetenzzentrum. Viel Feuchtigkeit vom zuletzt stark überwärmten Mittelmeer begünstigten dies im Fall des Tiefs „Anett“ in außerordentlichem Maß.